Tierbefreiung heisst Kampf den Kapitalisten!

Auf dem Bahnhofplatz in Bern forderten am Abend des 6. August 2016 rund 500 Personen die Schliessung aller Schlachthäuser. Die Kundgebung wurde von der Tierrechtsorganisation tier-im-fokus (tif) organisiert. Die mehrere Stunden dauernde Veranstaltung hatte einen reformpolitischen Charakter. Die meisten Reden (junge Grüne, Greenpeace, Vegane Gesellschaft usf.) betonten im Kern die Forderung nach Tierrechten oder stellten den Artenschutz sowie einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Nahrungsmitteln ins Zentrum. Die Förderung des Veganismus stellte für die Mehrheit der RednerInnen den Ausweg aus der Schlachthofgesellschaft dar. Ähnlich eines Schneeballsystems sollen Freunde und Freundinnen, das weitere Umfeld aber vor allem auch ParlamentarierInnen von der veganen Idee angesteckt werden.

Schlachthausdemo Schlachthäuser schliessen Bern 2016 Tierrechtsgruppe Zürich

Die Tierrechtsgruppe Zürich beteiligte sich ebenfalls an dem Protest. Mit einem Flugblatt, welches wir hier dokumentieren, entgegneten wir diesen Ansätzen, dass die Kapitalisten in der Fleischindustrie es nicht zulassen werden, dass im Kapitalismus nicht mehr geschlachtet werden kann. Deshalb sagen wir:

Tierbefreiung heisst Kampf den Kapitalisten!

Flugblatt als Pdf

Im Frühjahr wurde publik, dass beim Migros-Fleischbetrieb Micarna unsägliche Arbeitszustände herrschen. Für viele MitarbeiterInnen ist der Leistungsdruck enorm. Sie sagen, das hohe Arbeitstempo am Fliessband mache sie psychisch und physisch krank. Doch wer zu Hause bleibe, dem drohe die Kündigung. Die Gewerkschaft Unia stellt zudem fest: festangestellte MitarbeiterInnen in der Fleisch-Branche werden immer öfter aussortiert und durch billigere, temporäre Arbeitskräfte aus Osteuropa ersetzt.

Miese Jobs, grosser Profit
Die Fleischindustrie bedient sich immer neuer Strategien um ihre Profite zu steigern. Moderne Schlachthäuser und die für diese Einrichtungen immer weiter entwickelten Maschinen und Abläufe machen das serielle Töten von Tieren zu einem Milliardengeschäft für einige wenige. Bei Micarna in Bazenheid sind vor zwei Jahren noch zwischen 140 und 170 Schweine pro Stunde (z)erlegt worden. Nach einer Modernisierung des Betriebs durchlaufen heute 220 Tiere in der Stunde den Todestrakt.

In modernen Schlachtfabriken werden immer mehr Tiere erschossen, vergast oder mit Elektroschock getötet. Gleichzeitig bringt die Entwicklung der Produktionsbedingungen in der Fleischindustrie eine wachsende Intensität der Arbeit mit sich. Der Arbeitstag der SchlachthofarbeiterInnen wird anstrengender. Grössere Mengen Fleisch müssen in derselben Arbeitszeit produziert werden. Kommt hinzu, dass der ohnehin tiefe Lohn der ArbeiterInnen in den Fleischfabriken nicht dem steigenden Leistungsdruck angepasst wird. Für die Fleischkapitalisten an den Konzernspitzen hingegen verkörpern sich die schlechten Arbeitsbedingungen und die miesen Löhne der ArbeiterInnen vor allem in einem: mehr Geld!

Erhöhung der Ausbeutungsrate
Aufgrund der Lohnknechtschaft im Kapitalismus müssen ArbeiterInnen dahin gehen, wo sie Arbeit finden. Lebenskosten müssen schliesslich bezahlt werden. Die Kapitalisten machen sich diesen Zwang zunutze. Die Fleischbosse in der Schweiz werben vermehrt ausländische Arbeitskräfte an – in Ungarn oder Polen zum Beispiel – welche geringere Lohnkosten verursachen. Damit ist den hiesigen Fleischkapitalisten eine höhere Ausbeutungsrate, also mehr Profit garantiert.
Osteuropäische ArbeiterInnen werden über Temporärfirmen eingestellt. Die Vorteile liegen auch hier auf der Hand: die Chefs der Fleischfirmen und Schlachtbetriebe zahlen die TemporärarbeiterInnen nur für die Zeit, für die sie gebraucht werden. Sobald sie für die Verwertungsbedürfnisse der Kapitalisten überflüssig sind, kann man sie sehr schnell wieder loswerden und auf die Strasse stellen.

Meat the Industry
Bei Micarna hat seit über 10 Jahren CEO Albert Baumann das Sagen. Micarna ist mit einem Umsatz von jährlich 1,5 Milliarden Franken und rund 2‘900 Angestellten jedoch der kleinere der beiden grossen Player in der Schweizer Fleischindustrie. Der grösste Schlächter der Schweiz heisst Bell AG. Seit 2011 führt Lorenz Wyss das in Basel ansässige Unternehmen. Mit mehr als 8‘000 Beschäftigten und Betrieben an 31 Standorten in neun europäischen Ländern erzielt Bell einen Umsatz von ungefähr 2,8 Milliarden Franken im Jahr. Mehrheitsaktionär des kotierten Unternehmens ist mit rund 66% der Aktien der Detail- und Grosshändler Coop. Als Mitglied der Coop-Geschäftsleitung sitz Leo Ebneter als Vizepräsident im Bell-Verwaltungsrat.

Insgesamt werden in der Schweiz jährlich rund 69 Millionen Tiere zu Fleisch gemacht. Die Bosse, welche diesen Massenmord an Tieren veranlassen und zu verantworten haben, organisieren sich beim Schweizer Fleischfachverband (SFF) oder der Branchenorganisation Proviande. Beim SFF leitet Ruedi Hadorn das Geschäft, ein Hardliner was die Verteidigung der Fleischproduktion, der miesen Arbeitsbedingungen in den Schlachtbetrieben und der Naturzerstörung durch die Fleischindustrie anbelangt.

Proviande wiederum ist vor allem dafür bekannt, grosse Image- und Werbekampagnen zu machen, um den Fleischkonsum anzukurbeln. Trotz Milliardenumsätzen der Fleischindustrie erhält Proviande auch noch Steuergelder aus der Staatskasse. Rund 6 Millionen pumpt das Departement von FDP-Bundesrat Johann Schneider-Amman jährlich allein in das Werbelabel „Schweizer Fleisch“.

Das Problem heisst Kapitalismus
Schlachthäuser sind Orte der Brutalität, der Ausbeutung und Unterdrückung. Die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Schlachthäuser zu schliessen. Doch solange sich die Bewegung nicht gegen die Produktions- und Eigentumsverhältnisse richtet, welche diese Barbarei erzeugen, führt sie einen Kampf gegen Windmühlen. Die Mehrzahl der Tierrechts- und TierbefreiungsaktivistInnen wahrt Distanz zu antikapitalistischen Ansätzen. Sie glauben, „dass wir Tierrechte erreichen können, ohne zuerst den Kapitalismus überwinden zu müssen“, wie beispielsweise Tobias Sennhauser, Präsident von tier-im-fokus, sagt. Solche Glaubensbekenntnisse verkennen jedoch, was die eigentliche Triebkraft der Fleischindustrie ist: Das Gewinnstreben der Kapitalisten.

Das Scheffeln von Profiten ist der Grund, weshalb die Eigentümer der Fleischfabriken die Lohnabhängigen ausbeuten und Tiere millionenfach ermorden lassen. Dies ist darum möglich, weil im Kapitalismus die Produktionsmittel Privateigentum einer kleinen Minderheit sind und ihrer privaten Bereicherung dienen. Den Fokus nur auf die Tiere zu richten und Grundrechte für Tiere zu fordern wird das Schlachten daher nicht beenden. Die gigantische und immer weiter wachsende wirtschaftliche und politische Macht der sich im nationalen, aber vor allem auch globalen Kontext monopolisierenden Fleischindustrie kann nur gebrochen werden, wenn wir die Besitzverhältnisse angreifen und der Barbarei die ökonomische Basis entziehen.

Erst wenn die Kapitalisten enteignet und die Produktionsmittel der gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen werden, ist es möglich, die Produktion nach vernünftigen und moralischen Kriterien auszurichten. Nur wenn die Produktionsmittel allen gehören, können die Schlachthäuser geschlossen und in eine Lebensmittelherstellung überführt werden, die nicht mehr auf Ausbeutung beruht. Nur eine marxistische Tierbefreiungsbewegung, die diese gesellschaftsverändernden Ansprüche im Bündnis mit der Arbeiterbewegung und der revolutionären Linken in politische Praxis umsetzt, kann dem Schlachten ein Ende setzen. Tierbefreiung heisst demnach nichts anderes als Klassenkampf. Denn die Befreiung der Tiere ist nur im Kampf gegen den Kapitalismus erreichbar!

FLEISCHINDUSTRIE ENTEIGNEN – KAPITALISMUS ABSCHAFFEN
CLASS STRUGGLE – ANIMAL LIBERATION


Tierrechtsgruppe Zürich, August 2016