Quelle: Tagesanzeiger
Eine verdeckte Ermittlerin, die in Österreich militante Tierschützer ausspionierte, kam auch zu einem Treffen in die Schweiz. Die Kantonspolizei Luzern war informiert.
Von Bernhard Odehnal, Wien
Aus der Sicht der Aktivisten aus dem östlichen Nachbarland war die Schweizer Tierrechtsbewegung ein Problemfall: zu wenige Aktivisten und Kampagnen, keine „einheitliche Bewegung“. Also beschlossen die Österreicher, Entwicklungshilfe zu leisten und luden im Sommer 2007 zu einem zweitägigen „Animal Liberation Workshop“ im Café Parterre in Luzern.
Etwa 80 Teilnehmer, auch aus dem Tessin und Genf, bekamen Kampagnenstrategie, Methoden zur Tierbefreiung und Rechtslage erklärt. Unter den Österreichern waren der führende Aktivist Martin Balluch und eine junge Frau namens Danielle Durand, die sich erst kurz zuvor den Tierschützern angeschlossen hatte.
Was damals niemand im Luzerner Workshop wusste: Durand war eine verdeckte Ermittlerin der österreichischen Polizei, die herausfinden sollte, welche Tierschützer wo und wann gewalttätige Aktionen planten. Die Frau war in Luzern überraschend aufgetaucht. „Sie sagte, dass sie hier gerade Ferien mache“, erinnert sich Balluch. Der Einsatz der österreichischen Polizistin war mit der Luzerner Polizei abgesprochen.
Die Luzerner hatten mit der Auflage eingewilligt, dass die Ermittlerin keine Waffe tragen und sich nicht an strafbaren Handlungen beteiligen dürfe. Die Österreicher garantierten, dass Durands Erkenntnisse aus Luzern niemals in einem „strafprozessualen Verfahren verwendet werden“. Doch genau das ist jetzt der Fall.
In Wiener Neustadt, 50 Kilometer südlich von Wien, wird seit einem halben Jahr gegen 13 österreichische Tierschützer verhandelt. Sie sollen unter anderem einen Brandanschlag verübt und Pelzbekleidung zerstört haben. Der Sachschaden beträgt eine halbe Million Euro.
Nur mündliches Protokoll
Die elf Männer (darunter Martin Balluch) und zwei Frauen sind nicht nur wegen Sachbeschädigung, sondern auch wegen der Bildung einer terroristischen Organisation angeklagt.
Im Zeugenstand berichtete gestern der Führungsoffizier von „Danielle Durand“ über die Auslandseinsätze in der Schweiz und den Niederlanden. Er war auf diesen Reisen ständiger Begleiter der Ermittlerin und hielt auch den Kontakt zur Luzerner Polizei.
Das von ihnen verlangte schriftliche Protokoll über den Einsatz bekamen die Luzerner jedoch nie zu Gesicht. Sie mussten sich mit einem mündlichen Bericht des österreichischen Polizisten zufrieden geben. Der damals zuständige Beamte war gestern nicht zu erreichen.
Bei der Veranstaltung in Luzern trat neben den Österreichern auch der britische Aktivist Keith Mann auf, der wegen Brandanschlägen 1994 zu elf Jahren verurteilt wurde. Er wird auch in Verbindung mit der Gruppe SHAC (Stop Huntingdon Animal Cruelty) gebracht, die Anschläge auf Einrichtungen von Novartis und CEO Daniel Vasella verübten. Sechs Mitglieder von SHAC wurden im November in London zu Haftstrafen verurteilt.
Protest gegen Circus Knie
In Luzern richtete sich der Protest vor allem gegen die Tierhaltung im Circus Knie. An einer Demonstration in der Altstadt nahmen rund 300 Personen teil.
Über die Planung oder konkrete Vorbereitung von strafbaren Handlungen konnte „Danielle Durand“ jedoch nichts berichten. Genauso wenig wie in den folgenden Monaten ihres Einsatzes. Sie gilt deshalb heute als Entlastungszeugin der Verteidigung.
Weil die sichtlich überforderte Richterin sie nicht öffentlich vernehmen wollte, kam es gestern zu lautstarken Protesten der Angeklagten und tumultartigen Szenen. Einige Zuschauer wurden von der Polizei aus dem Saal getragen. Die Befragung der geheimnisvollen Ermittlerin soll heute fortgesetzt werden.
siehe auch: http://antirep2008.org/?p=3497