Säure und Stinkbomben stoppen den Walfang

Quelle: Tagesanzeiger

Tierschutzaktivisten von Sea Shepherd haben die japanischen Walfänger in der Antarktis zum vorläufigen Rückzug gezwungen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die japanische Walfangflotte soll ihre Jagd in der Antarktis abgebrochen haben, wie die Umweltorganisation Sea Shepherd gestern behauptete. Ein Sprecher der Fischereiagentur in Tokio bestätigte, der Fang sei unterbrochen. Planmässig sollte er bis Mitte März dauern.

Sea-Shepherd-Chef Paul Watson sprach von einem «Sieg». Er befindet sich an Bord der Steve Irwin, eines der Boote, die Japans Flotte verfolgen und den Walfang mit Säure- und Stinkbomben, Wasserwerfen und Störmanövern zu verhindern suchen. Japan und Sea Shepherd haben für diesen Kleinkrieg in den rauen Gewässern der Antarktis Jahr für Jahr aufgerüstet.

Sea Shepherd sagt, wegen der Störaktionen hätten die Japaner heuer nur 30 bis 100 Wale fangen können, statt der Quote von 985, die die Regierung der Flotte vorgegeben hat.

Gegen den Walfang ist seit 1987 ein internationales Moratorium in Kraft. Ausnahmen gibt es nur für einige indigene Völker an der Küste des Nordpazifik – und für die Wissenschaft: Letzteres nutzt die japanische Regierung als Ersatz für ihren kommerziellen Walfang. Ihre Flotte erlegt jährlich fast tausend Zwergwale. Deren Fleisch gelangt in Japan auf den Markt. Angeblich wird es zuvor wissenschaftlich untersucht.

Keine Lust auf Walfleisch

Allerdings haben die meisten Japaner wenig Appetit auf Walfleisch. Trotz günstiger Preise verkauft sich Wal kaum, manche Schulen servieren ihn deshalb als Schulmahlzeit. Sonst wird er nur in wenigen Spezialitätenrestaurants und in einigen Küstenregionen konsumiert.

Das Angebot übersteigt die Nachfrage bei weitem. In Japans Kühlhäusern liegen derzeit über 4000 Tonnen Walfleisch, das entspricht etwa der Beute eines Jahres. Walfang ist ein Zuschussgeschäft; ohne staatliche Subvention von schätzungsweise sieben Millionen Euro könnte die Walfangflotte längst nicht mehr in den Südpazifik auslaufen.

Die rechtsnationalen Regierungen der letzten Jahre stilisierten das Beharren auf dem Walfang trotz des internationalen Drucks zum Lackmustest ihrer Standhaftigkeit und ihres Patriotismus. Damit schadeten sie Japans internationalem Ansehen. Dabei spielt Walfang für die meisten Japaner weder kulturell noch ökonomisch eine Rolle.

Ihre Nachfolger von der Demokratischen Partei haben aufgedeckt, dass Zuschüsse für den Walfang (legal) auch in die Taschen von pensionierten Fischereibeamten fliessen. Doch die Regierung muss sparen, sie dürfte nach Gründen suchen, die Subventionen zu streichen. Greenpeace hat zudem nachgewiesen, dass einige Walfänger Teile der Beute unterschlagen.

Ausserdem hatte Japan heuer Mühe, für die Expedition in die Antarktis ein Begleitboot zu finden. Die Reederei, die bisher Schiffe zur Verfügung stellte, löste ihren Vertrag letztes Jahr auf.

Der internationale Druck und die Zermürbungstaktik der Umweltschützer scheinen damit Erfolg zu haben. «Wir müssen zuerst an die Sicherheit der Crew denken», sagt Tatsuya Nakaoku von der Fischereiagentur. Diese sei angesichts der Störmanöver von Sea Shepherd nicht mehr gewährleistet.

Nur Ausweichmanöver?

Allerdings ist die Nisshin Maru, das Fabrikschiff der Flotte, das Sea Shepherd vertrieben hat, nach Osten ausgewichen, nicht Richtung Japan. Sie befindet sich derzeit südlich von Chile. Watson sagte per Telefon von der Steve Irwin deshalb, er befürchte, das Boot werde die Antarktis umrunden und für weitere Fänge zurückzukehren versuchen.