Quelle: https://www.jungewelt.de/2015/05-18/039.php?sstr=Rote|Fahne|verboten
Ukraine: Präsident setzt Gesetz gegen kommunistische und sowjetische Symbolik in Kraft. Bürgermeister verärgert über Kosten der Umbenennung.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die Gesetze zum Verbot kommunistischer und sowjetischer Symbole in Kraft gesetzt. Am Freitag abend erschien auf seiner Webseite die entsprechende Mitteilung. Damit dürfen jetzt Symbole »totalitärer« Ideologien nicht mehr gezeigt werden; bei Verstößen drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Um sicherzugehen, dass das Gesetz trotz seiner »antitotalitären« Rhetorik nur gegen kommunistische und sowjetische Symbole angewandt wird, wurden die Organisationen des ukrainischen Faschismus durch ein parallel unterschriebenes Gesetz zu Freiheitskämpfern erklärt.
Das Gesetz soll offenbar vor allem durch seine unbestimmte Formulierung abschreckend wirken. Was als »kommunistisches Symbol« gilt, ist nicht konkret bestimmt und kann von der Polizei im Einzelfall nach Bedarf definiert werden. So kann ein roter Stern auf einem T-Shirt von der Polizei bestraft werden; was mit den Etiketten der auch in Kiewer Restaurants beliebten italienischen Mineralwassermarke »Sanpellegrino« wird, die dasselbe Symbol zeigen, wird sich erweisen. Verboten wird der positive Bezug auf Schriften sowjetischer Politiker, früherer UdSSR-Funktionäre vom Landrat aufwärts darf nicht mehr gedacht werden.
Wie das Gesetz ausgeführt werden soll, ist ebenfalls nicht konkret formuliert. So müsste etwa die Umbenennung der Gebiete Dnipropetrowsk und Kirowograd im Parlament mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossen werden. Auf die ukrainischen Städte und Gemeinden und auf die Bürger kommt jedenfalls eine Welle von Neuprägungen vom Bahnhofsschild bis zur Visitenkarte zu. Dabei sind die Konsequenzen teilweise absurd: Vor der Umbenennung zu Ehren eines örtlichen Bolschewisten namens Petrow hieß Dnipropetrowsk etwa Jekaterinoslaw – zum Ruhm (»Slawa«) der russischen Zarin Katharina II., die die Region für Russland erobern ließ. Dieser Name ist natürlich heute inopportun, so dass im Moment zwei Varianten diskutiert werden: entweder den Stadtnamen gemäß dem Volksmund in »Dnipro« zu ändern oder auf der Oberfläche alles beim alten zu lassen und einen bisher weitgehend unbekannten Kosakenhauptmann mit dem Vornamen Petro zum offiziellen Namenspatron zu machen. Der Bürgermeister von Charkiw, Gennadi Kernes, rechnete schon vor, dass ihn die Umbenennung von 230 Straßen und Ortsnamen Millionen kosten werde, und forderte eine Kostenerstattung aus dem Staatshaushalt. Flohmarkthändler, die sowjetische Accessoires verkaufen, sahen die Frage in ukrainischen Medien gelassen: Wahrscheinlich würden nur die fürs Wegschauen an die Polizei zu zahlenden Schmiergelder steigen.
Im Vorgriff auf das Gesetz gehen ukrainisch-nationalistische Aktivisten schon seit Monaten im ganzen Land gegen unliebsame Denkmäler vor. Federführend ist oft die faschistische Swoboda-Partei. So demolierten am Wochenende in Kiew junge Leute eine Gedenktafel für den sowjetischen Marschall Georgi Schukow. In Odessa wurde ein Gedenkstein für die Opfer der deutschen Besatzung mit Hakenkreuzen und nationalistischen Symbolen beschmiert. Bei Gelegenheit erwischt es auch Einrichtungen, die mit der Sowjetunion wenig zu tun haben: Kirchen des Moskauer Patriarchats. Eine, die in der Nähe des Kiewer Gedenkorts »Babi Jar« steht, wurde schon zum dritten Mal Ziel eines Brandanschlags. Es gab aber auch vereinzelt Gegenwehr: In einem Dorf bei Saporischschja mieteten die Bewohner einen Autokran, um ein gestürztes Lenin-Denkmal wieder aufzustellen.