Quelle: http://www.huffingtonpost.de/2016/05/14/gefluegelfabriken-usa-oxfam_n_9969902.html
– Die Menschenrechtsorganisation Oxfam kritisiert die Arbeitsbedingungen in der US-Geflügelindustrie
– Den Angestellten würde beispielsweise der Gang auf die Toilette verweigert, weshalb sie Windeln tragen würden
– Betriebsräte gibt es nur in einem Drittel der Unternehmen
Schlechte Bezahlung, viele Verletzungen und Krankheiten sowie ein „Klima der Angst“: Die Menschenrechtsorganisation Oxfam kritisiert in einem Bericht die Arbeitsbedingungen in der amerikanischen Geflügelindustrie.
Das wohl drastischste Ergebnis der Untersuchungen, die Oxfam Amerika von 2013 bis 2016 führte: Einer „überwältigenden Mehrheit“ der etwa 250.000 Arbeiter werde systematisch der Gang auf die Toilette verweigert. „Sie geben dir keine Pause“, sagte eine Mitarbeiterin des Konzerns Tyson Foods aus Arkansas.
Vorgesetzte würden sich über ihre Bedürfnisse lustig machen und ihre Bitten ignorieren. Stattdessen würden Strafen oder sogar die Kündigung angedroht. Eine Frau berichtet, sie müsse ihrem Vorarbeiter Geld zahlen, wenn sie das WC benutzen wolle.
Allein im Bundesstaat Alabama gaben 80 Prozent der befragten 266 Arbeiter an, nicht auf Toilette gehen zu dürfen, wenn sie müssen. In Minnesota wurden 86 Prozent der Angestellten weniger als zwei Toilettenpausen pro Woche genehmigt. Nur in Unternehmen mit Betriebsräten dürften die Beschäftigten das WC nutzen, wenn sie müssten. Doch die Mitarbeitervertretungen gibt es nur in einem Drittel der Firmen.
Die Verweigerung von Toilettenpausen hat für die Arbeiter entwürdigende Folgen: „Sie urinieren und koten, während sie am Fließband stehen“, heißt es in dem Bericht. „Sie tragen Windeln bei der Arbeit.“
Viele würden deshalb versuchen, so wenig Flüssigkeit und Nahrung wie möglich zu sich zu nehmen. „Unser Aufseher sagt, wir essen zu viel“, berichtet ein Angestellter. Eine Kollegin ergänzt: „Iss und trink weniger, sagen sie zu uns“ – eine Entscheidung, die schnell gesundheitsschädigend sein kann.
Nicht einmal für Schwangere würden Ausnahmen gemacht
Vor allem Frauen trifft die Situation hart: Wegen Menstruationsblutungen, Schwangerschaften und einer höheren Anfälligkeit für Infektionen sind Toilettenpausen für Frauen besonders wichtig – doch laut dem Oxfam-Bericht werde nicht einmal für schwangere Frauen eine Ausnahme gemacht. „Eine meiner Kolleginnen war schwanger und sie weinte und rannte raus, weil unser Reihenleiter sie nicht auf Toilette gehen lassen wollte“, erzählt jemand.
Im Bericht heißt es, die Aufseher würden Angestellten Pausen verweigern, weil sie selbst unter großem Druck stünden: Sie müssten die Geschwindigkeit des Laufbandes halten, um die tägliche Vorgaben der Produktionsmengen zu erfüllen. Die Geflügelindustrie in den USA ist in den letzten Jahren schnell gewachsen und profitabler geworden – der Leistungsdruck in der Branche ist hoch.
Oxfam zitierte in seinem Bericht Beschäftigte der vier größten US-Konzerne der Geflügelproduktion: Tyson Foods, Perdue Farms, Pilgrim’s Pride und Sanderson Farms. Insgesamt beschäftigen sie rund 100.000 Arbeiter und haben einen Marktanteil von 60 Prozent.
Die Lösung: der „Springer“ – aber bloß keine geringere Leistung
Die Kritik an den Arbeitsbedingungen schlägt nun bereits Wellen. Oxfam konfrontierte die betroffenen Unternehmen mit den Vorwürfen. Zwei, darunter der Konzern Tyson Foods, reagierte auf die Anschuldigungen. „Unsere Produktionsleiter sind angewiesen, ihre Teammitgliedern das Verlassen des Fließbands zu erlauben, wenn sie die Toilette benutzen müssen“, heißt es in einem Statement des Unternehmens. Die Verweigerung würde nicht toleriert werden.
Mittlerweile habe es ein Treffen zwischen Oxfam und Tyson Foods gegeben. Dabei soll über die Forderung der Menschenrechtsorganisation gesprochen worden sein, „Springer“ einzusetzen. Diese sollen die Kollegen während der Zeit einer Toilettenpause ersetzen ohne dass Abstriche in der Produktionsleistung gemacht werden müssen. Dem stetigen Ausbau der Rekordprofite in der milliardenschweren amerikanischen Hühnchen-Industrie steht also nichts mehr im Weg – nicht einmal die menschlichen Bedürfnisse.