Marco Camenisch: bedingte Entlassung verweigert

Das Zürcher Amt für Justizvollzug verweigert die bedingte Entlassung von Marco Camenisch.

Der Bündner Ökoanarchist sitzt seit 20 Jahren für sein politisches Engagement im Gefängnis; derzeit in Lenzburg.

Er ist aus Protest gegen das World Economic Forum in Davos bis zum 29. Januar in einen befristeteten Hungerstreik getreten. Seinem Protest haben sich die Gefangenen Silvia Guerini (Hungerstreik, Hindelbank) und Luca „Billy“ Bernasconi (Verweigerung von Arbeit und Mahlzeiten, Regensdorf) angeschlossen.

Dieses Jahr hat Marco Camenisch 2/3 seiner Strafe abgesessen. Eigentlich steht in der Schweiz jeder und jedem Gefangenen – bei guter Führung – die bedingte Entlassung nach 2/3 der Haftzeit zu. Nicht aber Marco.

Am 8. Februar soll eine „Anhörung“ zu seiner bedingten Entlassung stattfinden. Das Zürcher Amt für Justizvollzug liess Marcos Anwalt wissen, es werde dabei um „die von uns beabsichtigte Abweisung der bedingten Entlassung gehen.“ Marco würden an der „Anhörung“ keinerlei Fragen gestellt.

Die „Anhörung“ ist also gar keine, sondern eine Farce. Der Entscheid ist bereits gefallen. Marco soll weggesperrt bleiben, weil er sich nicht brechen lässt, weil er an seiner politischen Überzeugung festhält.

Bereits vor fünf Jahren versuchte der SP-Staatsanwalt Ueli Weder, Marco zu verwahren. Begründung: das sei ja ein Anarchist!

Und das Zürcher Amt für Justizvollzug verweigerte ihm mehrfach aus politischen Gründen einen bewachten Hafturlaub, der ihm als Vorbereitung auf eine bedingte Entlassung an sich zugestanden hätte.

Wir fordern alle Solidarischen auf, gegen diese erneute Schweinerei des Zürcher Amts für Justizvollzug angemessen zu reagieren.

Den Schreibtischtäter/innen das Handwerk legen – Solidarität mit den kämpfenden Gefangenen!

Freund/innen und Unterstützer/innen von Marco Camenisch, 21.1.12
Kontakt: knast-soli (aet) riseup (punkt) net

Weitere Informationen: http://www.rhi-sri.org, http://www.informa-azione.info

Schreibt Marco: Marco Camenisch, PF 45, CH-5600 Lenzburg (Abs.-Adresse
nicht vergessen)

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Wer ist Marco Camenisch?

Marco Camenisch (geb. 1952) war Ende der 1970er in der Anti-AKW-Bewegung aktiv. Anfang 1980 verhaftet, wurde er 1981 u.a. wegen Angriffen auf die Einrichtungen der Atomindustrie zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Noch im selben Jahr gelang ihm die Flucht aus der Haftanstalt Regensdorf. 1989 machten ihn Medien und Staatsschutz für den Tod eines Grenzpolizisten im Bündnerland verantwortlich; Marco wies die Anschuldigungen zurück. 1991 erneute Verhaftung in Massa Carrara (Italien), dann 12 Jahre Gefängnis u.a. wegen Sabotageaktionen gegen die Atomindustrie. 2002 wurde Marco an die Schweiz ausgeliefert und 2004 unter Vorsitz des heutigen SVP-Bundesrichters Hans Mathys wegen Mordes zu einer Zusatzstrafe von 18 Jahren verurteilt; zusammen mit der ersten Strafe also 28 Jahre, zusammen mit jener in Italien 40 Jahre! Das Bundesgericht erklärte das Strafmass denn auch für unzulässig, da viel zu hoch. 2007 wurde die Zusatzstrafe auf 8 Jahre gesenkt. 2012 hat er 2/3 abgesessen, spätester Entlassungstermin ist 2018. Marco hat sich in all den Jahren im Gefängnis immer solidarisch gezeigt mit fortschrittlichen Bewegungen inner- und ausserhalb der Gefängnismauern und an unzähligen Protesten teilgenommen.

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Erklärung von Marco

Chapeau 🙂 Street-, Night- & Dayfighters, FreundInnen und GenossInnen,

Kleines Update zu meiner 2/3nichtentlassung

Allg. Voraussetzungen: In der Schweiz wäre nach 2/3 einer Strafe bei „guter Führung“ eine „bedingte“ Freilassung aus dem Knast möglich (und muss in jedem Einzelfall von Amtes wegen behandelt werden). Das erfolgte bis vor gut 10 Jahren fast „automatisch“.

Seit der aktuellen und Unumkehrbaren Überstürzung der allgemeinen Krise von Staat/Kapital/technoindustriellem System gibt es aber praktisch keine bedingten Entlassungen mehr. Das wird im „Gesamtpaket“ der reaktionären Hetze und Mobilisierungen zur Verschärfung der globalen Diktatur des Systems von Oben gegen Unten, gegen die gesellschaftlich Schwachen und vor allem gegen den revolutionären Widerstand nach nazifaschistischem Muster (imperialistischer Krieg, Rassismus, Xenophobie, Nationalismus, „Festung Europa“, Sicherheitshaft/Verwahrungen, „Antiterror“-Gesetze usw.) gesellschaftlich, politisch und in der Praxis der verschärften Klassenjustiz national und international umgesetzt.

Spezifische Voraussetzungen: Als politischer Gefangener (revolutionär und internationalistisch) ist es natürlich noch etwas schwieriger und hängt stark vom (aktuell ungünstigen…) gesellschaftlichen und „politisch-militärischen“ Kräftever-
hältnis zwischen Oben-Unten, Diktatur-Widerstand, Konterrevolution-Revolution etc. ab. Der reale Termin nach juristischer Arithmetik meiner möglichen bedingten Freilassung bzw. dem Ende der 2/3 meiner Strafe fällt auf den Monat Mai dieses Jahres (Endstrafe: Mai 2018). Verantwortlich für den Vollzug „meiner“ Strafe sind die Ämter des Justizvollzugs (JV) Zürich (Knastdirektionen, Feldstrasse ZH und letztlich das Justizdepartement des Kt. ZH und, als letzte Rekursinstanz, das Bundesgericht).

Zur Sache: Bis jetzt wurden zwei Urlaubsgesuche (2008 u. 2009 oder 2010) vor allem politisch motiviert abgelehnt und obg. „Überprüfung“ hat in „meinem“ Fall damit begonnen, dass a) der JV Zürich vom hiesigen Lager Lenzburg im Kanton Aargau einen „Führungsbericht“ verlangt und erhalten hat, in dem aus Gründen der beim Kt. ZH liegenden „Kompetenz“ auf (positive oder negative) Empfehlungen zu meiner Freilassung abgesehen wird; und b) mir über meinen Anwalt auf den 8. Februar 2012 ein Termin für eine „Anhörung“ in seiner Anwesenheit „angeboten“ wurde. Bislang habe ich nicht ausgeschlossen mich „anhören“ zu lassen und über meinen Anwalt von der „Fallverantwortlichen“ JV ZH als meine Voraussetzung und zu meiner Vorbereitung eine Liste ihrer Fragen angefordert. Die Antwort an meinen Anwalt:

Am 8. Februar wird es um (…) die von uns beabsichtigte Abweisung der bedingten Entlassung gehen. Es werden ihm somit keine Fragen gestellt werden. Vielmehr werden ihm die Argumente seitens unserer Behörde dargelegt werden, die gegen seine bedingte Entlassung sprechen. Zu diesen Argumenten wird Herr C. bzw. werden Sie am 8. Februar mündlich Stellung nehmen können. Die Anhörung wird schriftlich protokolliert und im Anschluss daran wird eine rekurable Verfügung erstellt werden.

Erhellende Antwort. Man könnte es als reine Alibiübung abtun, wäre da nicht die offensichtlich unlautere (und sonst sowieso systematisch aber ohne Anwälte umgesetzte) Absicht, sich die gegnersichen „Stellungsnahmen“ bzw. Rekursargumente im Vorfeld einer rekurablen Verfügung zu verschaffen um sie dort schon präventiv einfliessen lassen bzw. entkräftigen zu können. Was die Entscheidung keine „Anhörung“ durchzuführen natürlich leicht und definitiv macht. Weniger leicht dürfte es der Behörde in diesem Falle und des Vorliegens einer schriftlichen Unterlage fallen, zukünftig ihre Vorwürfe einer „Verweigerungshaltung“ und „mangelnder Kooperation“ damit zu unterfüttern…

Als Nächstens werdet ihr also wohl die angesagte rekurable Verfügung der Abweisung der bedingten Entlassung zur Ein- und Ansicht und Auflage etc. erhalten.

Mit herzlichen und solidarischen Grüssen

marco, Lager Lenzburg, 19. Januar 2012