Kein Wille zum Frieden

Quelle: http://www.hintergrund.de/201412013326/feuilleton/zeitfragen1/kein-wille-zum-frieden.html

Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt

Gespräch mit MOSHE ZUCKERMANN, 01. Dezember 2014

Der Historiker Moshe Zuckermann hat mit seiner jüngsten Veröffentlichung Israels Schicksal eine tiefgreifende kritische Analyse der Staatsideologie Israels vorgelegt. Er kommt zu dem Ergebnis, „dass der Zionismus selbst nicht an die Zukunft seines eigenen Projekts glaubt“. Hintergrund-Redakteurin Susann Witt-Stahl sprach mit dem Autor über seine These, ihre historischen und politischen Grundlagen, Begründungen und die bitteren Konsequenzen.

Sie sind als kritischer Zionismus-Forscher bekannt. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass Sie bislang einen erheblichen Teil Ihres wissenschaftlichen und politischen Lebens der Auseinandersetzung mit der den Judenstaat tragenden Ideologie gewidmet haben. Sie haben eine große Zahl von Büchern und Aufsätzen dazu veröffentlicht und sehr viele Vorträge gehalten. Warum jetzt noch ein Buch?

Es stimmt, der Zionismus und – damit zusammenhängend – der Nahostkonflikt haben mich sowohl als politischen Aktivisten als auch als Forscher und Publizisten seit Jahrzehnten beschäftigt. Warum noch ein Buch? Weil ich das, was ich schon seit Jahren in meinen Vorträgen ständig behaupte, nämlich dass sich der Zionismus in eine historische Sackgasse manövriert hat, zu erklären versuche: Es geht um die Wahl zwischen der Zwei-Staaten-Lösung, die mit der Gefahr eines Bürgerkriegs in Israel einhergehen könnte, und der Unterlassung, diese Möglichkeit zu realisieren, die aber unweigerlich in die objektive Entstehung einer binationalen Struktur führen muss, welche ihrerseits das Ende des zionistischen Projekts mit sich bringen würde. Ich versuche nicht zu erklären, wie, sondern warum der Zionismus das getan hat – oder anders formuliert: Warum betreibt Israel seit Jahrzehnten eine Politik, die unweigerlich zum Untergang des Zionismus führen muss?

Die zentrale These Ihres Buches lautet: Der Zionismus wollte den Frieden mit den Palästinensern und den anderen arabischen Nachbarn von Anfang nicht, weil er selbst nie wirklich an das Gelingen seines historischen Projekts – die Errichtung einer sicheren nationalen Heimstätte für alle Juden – geglaubt hat. War der Zionismus sozusagen eine Todgeburt, oder hat er einen suizidalen Wesenskern?

Ich würde nicht von einer Todgeburt reden. Immerhin hat der Zionismus in dem, was er tat, auch außerordentliche Erfolge, Leistungen und Errungenschaften zu verzeichnen. Aber er entstand und bewegte sich unter historischen Prädispositionen, die ihn strukturell in eine Sackgasse führten. Das besagt nicht, dass es nicht anders möglich gewesen wäre; alles Historische hätte prinzipiell auch anderes werden können. Aber man wollte es eben nicht anders. Wenn man den Frieden wirklich gewollt hätte, hätte man ihn längst schon haben können. Und warum man es sich nicht leisten konnte, ihn haben zu wollen, darum geht es in meinem Buch.

Zum ganzen Interview