Herbstakademie der Assoziation Dämmerung

HerbstakademieOne Struggle – One Fight!?
Tierbefreiung & Revolutionäre Realpolitik

Die Welthungerberichte der vergangenen Jahre oder der gegenwärtige „Eier-Skandal“ – sie machen deutlich, dass die Auswüchse kapitalistischer Lebensmittel-, insbesondere der Fleischproduktion, zumindest in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert werden. Veganismus als „Lifestyle“ erlebt einen regelrechten Boom, und die Chancen für prominent platzierte Hinweise auf das Elend der industriellen Massentötung von Tieren standen schon schlechter. Für die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung eine günstige Situation, um gemeinsam mit ökologischen und sozialen Bewegungen radikale antikapitalistische Forderungen zu stellen.

Doch das geschieht nicht. Die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung verfügt über kein politisches Theoriekonzept, keine Gesellschaftsanalyse und ist sich über den gemeinsamen Nenner mit anderen linken Bewegungen nicht im Klaren. Ihre Kritik an der Massenproduktion der Ware Tier bleibt bürgerlich und moralisch und wahrt Distanz zu antikapitalistischen Ansätzen – auch der „autonome Antispeziesismus“ ist dazu keine Alternative. Wird die Bewegung aktiv, handelt sie vielfach unmittelbar systemkritisch – macht sich das aber nicht bewusst. Auf der anderen Seite haben traditionell sozialistische Bewegungen oftmals prinzipielle Vorbehalte gegen die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Sie wird nicht nur als „Single-Issue“-Bewegung wahrgenommen, der es an einer Perspektive zur Überwindung der herrschenden Gesellschaftsordnung fehle, sondern die Befreiung der Tiere wird gänzlich aus der linken Agenda ausgeschlossen.

Die falsche beiderseitige Distanz wollen wir mit unserer Akademie verringern. Wir wollen deutlich machen, warum die Befreiung von Mensch und Tier ohne Kapitalismuskritik nicht zu haben ist und warum andererseits Kapitalismuskritik nicht fundamental ist, wenn sie nicht auch das Verhältnis zur Natur (und zu den Tieren im Besonderen) mit in den Blick nimmt.

In Workshops und Podiumsdiskussionen mit Vertretern linker Organisationen wollen wir die Gemeinsamkeiten herausarbeiten und so Grundlagen schaffen, auf denen eine revolutionäre Realpolitik aufbauen kann zur Überwindung gesellschaftlicher Zustände, in denen längst nicht nur der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.

Hamburg 8. – 9. November 2013
Die Veranstaltung wird von Freitagabend bis Samstagabend stattfinden.

Anmeldung: Bis 31. Oktober unter assoziation.daemmerung@googlemail.com

Mehr Infos: http://www.assoziation-daemmerung.de/herbstakademie2013/

Programm

FREITAG – PODIUMSDISKUSSION
19 Uhr, Magda-Thürey-Zentrum (MTZ), Lindenallee 72, Hamburg-Eimsbüttel

One Struggle – One Fight!? Die Tierbefreiungsbewegung und die antikapitalistische Linke

Die Gemeinsamkeiten zwischen der antikapitalistischen Linken und der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung sind keineswegs nur theoretischer Natur. Anlässe zur Zusammenarbeit gäbe es angesichts der globalisierten Ausbeutung von Menschen, Tieren und der Natur genug. Was aber hält davon ab, den Schritt von der Feststellung gemeinsamer Interessen zur gemeinsamen politischen Praxis zu tun? Stimmt es, dass die revolutionäre, traditionelle sowie die vorrangig parlamentarisch arbeitende Linke sich um die Natur und das Elend der Tiere kaum schert? Und stimmt es, dass Tierrechts- und TierbefreiungsaktivistInnen mehrheitlich sentimentale, kleinbürgerliche Exoten sind, die kein Klassenbewusstsein entwickeln können und sich mit der sozialen Frage nicht befassen? Wir wollen mit VertreterInnen verschiedener linker Parteien, Organisationen und der Tierbefreiungsbewegung über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und mögliche Bündnisse sprechen.

Auf dem Podium diskutieren: Hans-Peter Brenner, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP); Eva Bulling-Schröter, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag; ein/eine VertreterIn einer außerparlamentarischen Bewegung (N.N.); ein/eine VertreterIn der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung (N.N.)

SAMSTAG – WORKSHOP 1
11 Uhr, Ort (N.N.)

Antispe-Linke: Heilige Johanna der Schlachthöfe?

Brecht ließ einst seine Heilige Johanna in den Schlachthöfen Chicagos agieren – Orte, an denen die Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft besonders drastisch hervortreten. Denn wo mit der Produktion von Kotelett, Wurst & Co Profite erwirtschaftet werden, geht das unweigerlich mit dem Quälen und Töten von Tieren einher. Wie in jedem kapitalistischen Unternehmen funktioniert die Plusmacherei aber auch in der Fleischwirtschaft nur durch die Ausbeutung von LohnarbeiterInnen – der Industriezweig gilt sogar als Vorreiter in Sachen miserable Arbeitsbedingungen.

Während jedoch das Leid der Tiere die Triebfeder der AntiSpe-Bewegung ist, werden Klassenfragen theoretisch und politisch vernachlässigt. Im Kampf gegen den Speziesismus wird der Unterschied zwischen SchlachthofbesitzerIn und -arbeiterIn kaum gemacht. Dieweil muss es der Bewegung ergehen, wie der Heiligen Johanna: Sie erkennt am Ende des Dramas zu spät, dass das moralisch gute Individuum keine bessere Welt schaffen kann, solange die Klassengesellschaft nicht auf den Müllhaufen der Geschichte verfrachtet wird. Dazu werden AntiSpes allerdings kaum beitragen, solange sie den Klassencharakter der kapitalistischen Tierausbeutung unterschlagen und „die SpeziesistInnen“ bekämpfen, statt den Versuch zu wagen, sich mit ArbeiterInnen gegen SchlachthofbesitzerInnen zu verbünden.


SAMSTAG – WORKSHOP 2

14 Uhr, Ort (N.N.)

Naming Names: Tönnies killed Bambi

Die ökonomischen Strukturen der deutschen Fleischindustrie

Publikationen wie der „Fleischatlas“ von BUND, Heinrich-Böll-Stiftung und Le Monde Diplomatique thematisieren zwar den Konsum und den Handel mit Fleisch sowie deren ökologische Folgen. Die Produktion von Fleischwaren und erst recht ihre Grundlagen – der Mord an den Tieren und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse im Nahrungsmittelgewerbe – werden hingegen ausgespart. Dabei offenbart ein klassenanalytischer Blick, dass Deutschland nicht nur wegen der hiesigen Automobil-, Chemie-, Elektroindustrie oder des Maschinenbaus „Exportweltmeister“ ist. Seit Jahren profitiert auch die Fleischindustrie vom deutschen Wirtschaftsmodell – trotz Krise. Allerdings wuchsen die Gewinne der Branche nicht nur aufgrund der Exporte exorbitant. Wie in anderen Zweigen des industriellen Kapitals korreliert der ökonomische Erfolg der Fleisch-Magnaten mit der politischen Macht weniger Lobby-Verbände, der Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse in den Betrieben und der wirtschaftlichen Dominanz großer Konzerne wie der Tönnies Lebensmittel GmbH oder Vion Food Germany.

SAMSTAG – WORKSHOP 3
16 Uhr, Ort (N.N.)

Revolutionäre Moral und antikapitalistische Politik

Mitleid und Mitgefühl stehen in den politischen Diskursen der Linken nicht hoch im Kurs. Dabei sind sie wesentliche Triebkräfte des gesellschaftlichen Fortschritts. Die Vertreter der Kritischen Theorie hatten das erkannt und verfolgten eine marxistische Moralphilosophie, deren Urzelle der mimetische Impuls ist – eine intuitive Identifikation mit anderen Lebewesen. Der mimetische Impuls wohnt den Menschen (und den Tieren) inne und treibt den Zivilisationsprozess ebenso voran wie der Selbsterhaltungstrieb. Der Ökonom Friedrich Pollock wies darauf hin, dass daher die „Forderung nach einer Begründung der moralischen Handlung auf einem Scheinproblem beruht. Sie setzt voraus, dass der individuelle Selbsterhaltungstrieb das allein Entscheidende im Menschen ist und dass man für das eigentlich Menschliche, das heißt, alles, was sich erst unter besseren Bedingungen entwickeln kann, noch einer Begründung bedarf.“ Die PropagandistInnen bürgerlicher Herrschaft verachten das sich aus dem mimetischen Impuls entfaltende Mitleid als „falsche Sentimentalität“. RevolutionärInnen hingegen begreifen es als emotionalen Zündstoff für die Sprengung des Klassengesellschaftsbaus, verknüpfen es mit antikapitalistischer Politik auf Basis des Historischen Materialismus und lassen es in einer Solidarität mit allen quälbaren Körpern wirkmächtig werden. Wird diese Solidarität nicht freigesetzt, dann bleibt das Verhalten des Menschen, inklusive sein politisches Handeln, ausschließlich der Sphäre des repressiven Naturzwangs verhaftet. Sie regrediert auf die Imperative der – in der neoliberalen Gesellschaft zum Fetisch erhobenen – Selbsterhaltung, um schließlich vollständig reaktionären sozialdarwinistischen Weltanschauungen unterworfen zu werden, die sich im Faschismus verdichten.


SAMSTAG – VORTRAG

20 Uhr, Ort (N.N.)

Die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung und die Linke

Die moderne Tierbefreiungsbewegung kann auf eine weit zurückreichende und tief in der Geschichte linker Bewegungen verwurzelte Tradition zurückblicken: Die Geschichte zeigt, dass diejenigen Menschen, die sich organisierten, um eine Verbesserung der elenden Situation der Tiere in der menschlichen Gesellschaft zu bewirken, durchweg auch Teil anderer Befreiungs- und Klassenkämpfe waren. Die moderne politische Bewegung für die Tiere baut, teils unbewusst, teils bewusst, auf diese Tradition auf. Sie entstammt den sozialen Protestbewegungen und der linken Subkultur des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts.

Der Tierbefreiungsgedanke ist also genuin links – ebenso die Bewegung, die ihn zu verwirklichen sucht; doch das Verhältnis zwischen ihr und der Linken war stets ein angespanntes. Das liegt zum Teil an der Linken und daran, dass ein Großteil derjenigen, die in den verschiedenen emanzipatorischen Bewegungen an der Seite von Persönlichkeiten aktiv waren, welche auch für die gesellschaftliche Befreiung der Tiere eintraten, die Tiere in der menschlichen Gesellschaft nicht als Leidensgenossen an- oder auch nur erkannt haben. Was die moderne Bewegung im deutschsprachigen Raum angeht, so wird ihr von Linken aber teilweise nicht zu Unrecht ein naiv-idealistisches Weltbild vorgeworfen: Die sich seit den 1980er-Jahren bildende deutschsprachige Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung hat, teilweise im Fahrwasser der „autonomen Szene“, viel an bürgerlicher Ideologie aufgenommen.

Die Befreiung der Tiere ist stets als Konsequenz und Fortsetzung der auf den Menschen bezogenen emanzipatorischen Imperative verstanden worden. Die Tierbefreiungsbewegung sollte sich selbstbewusst in diese lange Tradition des Kampfes gegen Ausbeutung stellen. Auf der anderen Seite kann die Linke die Forderung nach der Befreiung der Tiere nicht länger unbeachtet lassen. Zum Aufbau einer starken Bewegung, die ihrem Verlangen nach gesellschaftlicher Befreiung Ausdruck verleihen will, wären beide ideale Bündnispartner. Dazu muss nicht nur die Linke ihre Tierfeindlichkeit ablegen, sondern auch die Tierbefreiungsbewegung aus dem Bann bürgerlicher Ideologie heraustreten.

Referent: Matthias Rude, Buchautor „Antispeziesismus”

SAMSTAG – KULTUR
22 Uhr, Ort (N.N.)

Musikalische Lesung – Lyrisches Konzert zum Mensch-Tier-Verhältnis

Der Lyriker und Musiker Tobias Hainer stellt Auszüge aus dem im November erscheinenden Gedichtband „Galerie des Entsetzens, die ungeschminkte Wahrheit über das Mensch-Tier-Verhältnis“ in einer Symbiose mit musikalischer Untermalung vor. Politische Lyrik soll hier in Form eines musikalisch-sprechenden Kunstprojektes ihren Ausdruck finden. Die Verschmelzung von gesprochenem Wort und musikalischem Ton, von Dichtung und Musik, soll erlebbar werden in einem tiefdurchdringendem Ganzen von Verstand und Gefühl. Die Verbindung von düster-atmosphärischen Gitarrensoundcollagen und dem Kunstausdruck des gesprochenen Wortes mit seiner Kritik an den herrschenden Verhältnissen lässt diese Symbiose von Lyrik und Musik zu einem intensiven Hörerlebnis werden.

AFTERSHOW-PARTY
ab 22:30 Uhr

Konzert mit Albino

Kosten: Die Teilnahme wird maximal 25.- Euro pro Person kosten (je mehr sich anmelden, desto billiger wird es).

Veranstaltunsgsort: Die Podiumsdiskussion am Freitagabend findet im Magda-Thürey-Zentrum (MTZ), Lindenallee 72, Hamburg-Eimsbüttel statt. Die Veranstaltungen am Samstag an einem anderen Ort in Hamburg, nähere Informationen folgen.

Schlafplätze: Am Veranstaltungsort sind zwei Übernachtungen (Freitag bis Sonntag) möglich und die Kosten dafür im Teilnehmerbreitrag enthalten. Schlafsäcke, Decken und Isomatten sind mitzubringen.

Catering:
Die VeranstalterInnen sorgen am Samstag (Frühstück, Snacks, Abendessen) und Sonntagvormittag (Frühstuck) für eine vegane Verpflegung und Getränke. Beides ist nicht im Teilnehmerbeitrag enthalten.

Anmeldung: Bis 15. Oktober unter assoziation.daemmerung@googlemail.com

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