Quelle: Neues Deutschland, 21.07.2010
von Felix Werdermann, Neues Deutschland
Auch der Modekonzern Escada verzichtet nun auf Zuchtpelze. Tierschützer hatten seit über zwei Jahren protestiert.
Und wieder ist es ein Unternehmen mehr, das auf Pelze verzichtet. Seit zehn Jahren versucht die »Offensive gegen die Pelzindustrie«, Kaufhäuser und Modeläden zum Ausstieg aus dem Pelzgeschäft zu bewegen. Der gezielte und ausdauernde Protest gegen einzelne Firmen ist das Erfolgsrezept der Tierschützer-Kampagne.
Die Ansage ist kurz und trocken: »Mit der Pre-Fall 2010 Kollektion, die seit Mai 2010 in den Geschäften erhältlich ist, verwendet Escada keine Zuchtpelze mehr. Deren Anteil wurde bereits in den letzten Kollektionen deutlich reduziert und hatte im Umsatz keinerlei Bedeutung mehr.« Gerade mal zwei Sätze ließ der internationale Modekonzern mit Sitz in München verlauten. Doch den Tierschützern haben sie gereicht. Ihre Aktionen gegen Escadas Pelzgeschäft scheinen erfolgreich gewesen zu sein.
Inzwischen haben sie ihre Proteste eingestellt – aber zunächst nur vorübergehend. Denn eindeutig ist die Ansage von Escada nicht: Was mit Pelzen von Tieren aus freier Wildbahn ist, bleibt unklar. Dabei erleiden beispielsweise Füchse nicht nur große Qualen, wenn sie eng zusammengepfercht auf Pelzfarmen gehalten werden. Ähnlich schmerzhaft ist es, wenn sie in eine Falle tappen, um nachher das Fell abgezogen zu kriegen.
Ob Escada auf sämtliche Pelze verzichten möchte, ist bei dem Unternehmen nicht zu erfahren. Zumindest im Moment lassen sich in den Filialen von Escada keine echten Pelze finden, sagen die Tierschützer – Kunstpelze sind hingegen kaum zu unterscheiden, dafür aber deutlich tierfreundlicher. Die Pelzgegner fordern nun eine verbindliche Auskunft, ob der Konzern auch dauerhaft pelzfrei bleiben möchte. Ansonsten werde die Kampagne gegen Escada fortgesetzt.
Und das könnte hart werden, denn bislang hat die »Offensive gegen die Pelzindustrie« noch jede Firma in die Knie gezwungen. Seit 2000 gibt es die Kampagne, in der sich Tierfreunde aus Deutschland, Schweiz und Österreich zusammengetan haben. Zunächst war das Kaufhaus C&A Ziel der Proteste, dann geriet Karstadt-Quelle ins Visier. Dann wurde ein wahrer Demonstrationsmarathon gegen Peek&Cloppenburg angetreten: Vier Jahre lang haben die Pelzgegner demonstriert, bis das Unternehmen nachgegeben hat. Seit 2007 nimmt die »Offensive« an einer internationalen Kampagne gegen Escada teil. Zwischenzeitlich sind auch noch andere Unternehmen wie Kaufhof aus dem Pelzgeschäft ausgestiegen – aus Angst, selbst Zielscheibe zu werden.
Die Bilanz kann sich sehen lassen. Und das liegt vor allem an der Strategie der Pelzgegner. Die Proteste richten sich stets gegen eine ausgewählte Firma und dann lassen die Aktivisten nicht mehr locker. »Die Unternehmen versuchen die Proteste auszusitzen«, sagt Christian Jung von der »Offensive«. Doch bis jetzt haben immer die Tierschützer den längeren Atem bewiesen. Fast 1000 Aktionen gegen Escada sind auf der Kampagnen-Homepage dokumentiert – meist sind es regelmäßig stattfindende Kundgebungen in Berlin, Hamburg oder München. Aber es gab auch größere Demonstrationen oder spektakuläre Blockadeaktionen. So haben sich Aktivisten schon mit Bügelschlössern an die Eingangstür eines Geschäfts gekettet, um den Zugang zu behindern.
Haben die Proteste Escada zum Ausstieg bewogen? Die offizielle Version lautet anders: Die Entscheidung sei »auf den sehr geringen Umsatz, der mit diesen Produkten erzielt wurde, zurückzuführen«, sagt eine Sprecherin auf ND-Anfrage. Dennoch waren die Aktionen der Pelzgegner dem Konzern anscheinend ein Dorn im Auge. So wurde rechtlich erwirkt, dass angemeldete Kundgebungen nicht direkt vor dem Geschäft stattfinden durften.
Nun wird sich die »Offensive gegen die Pelzindustrie« wohl ein neues Ziel suchen. »Wie es weitergeht, wird sich im Herbst zeigen«, sagt Jung. Momentan nehme man Kontakt mit Unternehmen auf, um sie vom Ausstieg ohne Proteste zu überzeugen. Wer sich uneinsichtig zeigt, läuft Gefahr, bald das neue Kampagnenziel zu werden. Alle bundesweiten großen Warenhäuser verzichteten inzwischen auf Pelz, sagt Jung. Es gebe aber noch regionale Ketten wie Wöhrl. »Die Kampagne zielt auf Großabnehmer«, sagt er. Kleine Pelzläden ließen sich hingegen kaum überzeugen, schließlich hänge ihre Existenz am Pelzverkauf.
Beim deutschen Pelzverband, der Lobbyorganisation der Pelzindustrie, heißt es, der Umsatz sei in den letzten zehn Jahren etwa konstant geblieben, die Nachfrage steige sogar. Die Zahlen bilden aber nur einen Teil der Realität ab. Die großen Kaufhäuser kauften nämlich gar nicht in Deutschland ein, sagt Geschäftsführerin Susanne Kolb-Wachtel. »Die kaufen direkt in China.«
Tierfreund Jung glaubt trotzdem, dass es in Deutschland möglich sei, »die Pelzindustrie mittelfristig abzuschaffen«. Das sei auch einer der Gründe, warum sich die Proteste gegen Pelz und nicht beispielsweise gegen Fleischkonsum richteten. Den Tieren, die zur Fleischproduktion geschlachtet werden, ginge es schließlich nicht besser. Die Anti-Pelz-Proteste seien – wie so vieles – eine »strategische Entscheidung«.