Flyer zum 1. Mai 2013 des Tierbefreiungsbündnisses Zitronenfalter
Weltweit vereinen sich Lohnabhängige im Kampf gegen das Regime des Kapitals und das damit einhergehenden Leid und Elend – heute und seit vielen Jahren. Zusammen kämpfen wir für eine solidarische und selbstbestimmte Gesellschaft frei von Ausbeutung und Unterdrückung. Wir sehen die gegenwärtig herrschenden Verhältnisse als unzumutbar an, als eine tägliche Beleidigung, als Hohn, angesichts der objektiven Möglichkeiten, die uns der heutige Stand der Produktivkräfte (z.B. Wissen, Technologie, Arbeit) bereitstellt. Wir weigern uns, eine Welt aushalten zu lernen die nicht auszuhalten ist. Wir haben genug von den Ausschaffungen migrantischer Menschen oder der reaktionären Hetze von Rechtspopulist*innen und Antifeminist*innen. Wir haben genug von der Aufwertung der Städte und der Vertreibung aus den Quartieren und wir haben genug von den Prekarisierungen und Entlassungen in den Betrieben, Spitälern und Fabriken. Kurz, wir haben genug von dem dafür verantwortlichen Gesellschaftssystem, das nicht auf die Bedürfnisse der Menschen, sondern auf die Erzielung von Profit und die Akkumulation von Kapital gerichtet ist. Deshalb stellen wir uns entschieden gegen die kapitalistische Klassengesellschaft und kämpfen für eine revolutionäre Perspektive.
Klassengesellschaft, Tierausbeutung und ideologische Verschleierung
Als linke Tierbefreiungsaktivist*innen sind wir überzeugt, dass nicht nur die Ausbeutung von Menschen, sondern auch die Vernutzung von Tieren und die masslose Zerstörung der Natur Klassenfragen sein müssen. Die kapitalistische Produktionsweise untergräbt nicht nur die Arbeiter*innen, sondern auch die Natur – die Tiere inbegriffen. Was dies konkret für die Tiere bedeutet, ist beinahe unbeschreiblich. Im Schlachthof werden Kühe, Schweine, Schafe und Hühner am Fliessband getötet und zerlegt. In den Labors der Pharmaindustrie werden Hunde, Katzen, Affen und Mäuse für brutale Tierversuche gequält und ihrer Freiheit beraubt. Auf Pelzfarmen werden Nerze, Kaninchen und Waschbären auf engstem Raum gefangen gehalten, um anschliessend durch Vergasen, Genickbruch oder Elektroschock ermordet zu werden. In Zoos und Zirkussen werden Wildtiere wie Elefanten, Tiger oder Kamele versklavt, unterworfen und als Trophäen imperialistischer Herrschaft zur Schau gestellt. Dabei handelt es sich nicht um die Konsequenz einer tierfeindlichen Gesinnung der Menschen, sondern um die Folge einer Produktionsweise, die ihren Zweck in der Verwertung von Kapital hat.
Die gegenwärtige Unterdrückung und Ausbeutung der Tiere hat ihre Grundlage in der kapitalistischen Produktionsweise. Sie ist untrennbar verknüpft mit der Unterordnung allen Lebens unter die Profitinteressen der herrschenden Klasse. In der kapitalistischen Wirtschaft werden Tiere zu Produktionsmitteln und Waren gemacht, welche es möglichst restlos in Wert zu nehmen gilt. Zu diesem Zweck werden Tiere versklavt, durch Zucht, Gewalt und freiheitsbeschneidende Haltungsbedingungen auf erhöhte Produktivität getrimmt und von ihren Produkten und sogar von ihren eigenen Körpern entfremdet. Sie werden auf verfügbares Material reduziert, das auf den Prozess der Kapitalakkumulation zugerichtet wird. Dies bedeutet nicht, dass Tiere in vorkapitalistischen Produktionsweisen (z.B. dem Feudalismus) nicht unterdrückt und vernutzt worden sind, doch der Kapitalismus hat die Ausbeutung auf die Spitze getrieben. Heute ist zwar die Möglichkeit einer Gesellschaft, die ohne Ausbeutung von Tieren – wie auch von Menschen – auskommt, durch die ungeheure Dynamik der Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus objektiv gegeben, unter dem Diktat des Kapitals finden diese Produktivkräfte jedoch eine höchst destruktive Anwendung. Sie dienen nicht der Realisierung eines besseren Lebens, sondern der noch systematischeren, rabiateren und lückenloseren Ausbeutung.
Die Verwandlung der Tiere in Ware spiegelt sich in unterschiedlichen, wandelbaren Ideologien wider, welche die blutigen Praktiken rechtfertigen und verschleiern. Diese Ideologien erfüllen die Funktion, die Inwertsetzung von Tieren aufrecht zu erhalten, indem sie deren Ausbeutung als natürlich, notwendig oder belanglos darstellen. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass eine absolute Differenz zwischen Mensch und Tier konstruiert wird: Es werden Unterschiede betont, die nicht wesentlich sind, und Gemeinsamkeiten übergangen, die essentiell sind – wie etwa die Erfahrbarkeit von Schmerz und Leid. Oder die Unterdrückung von Tieren wird einfach naturalisiert – ihre soziale Lage wird zur naturgegebenen Ordnung verkehrt. Hiermit soll verdeckt werden, was wirklich hinter der Tierausbeutung steht: ein Geschäft, das die tiervernutzenden Industrien machen, indem sie den Allerwehrlosesten der Gesellschaft unermessliches Leid zufügen und sie schlussendlich ermorden. Das gegenwärtige Verhältnis des Menschen zu den Tieren und zur Natur ist jedoch kein natürliches oder unveränderliches, sondern hat sich geschichtlich entwickelt und ist gesellschaftlich vermittelt. Es ist Resultat menschlichen Handelns und kann daher auch von Menschen überwunden werden.
Tiere wie Genoss*innen behandeln
In den Auseinandersetzungen um das Verhältnis zwischen Mensch und Tier geht es nur zu oft bloss um individuelle Meinungsmache und Beliebigkeiten und nicht um Aufklärung über die realen gesellschaftlichen Zustände, welche auch für Tiere Leid und Grausamkeit bedeuten. Das breite Versagen, Tiere als zivilisationsgeschichtliche Leidensgenoss*innen des Menschen zu erkennen und auch ihre Ausbeutung beenden zu wollen, geht mit der falschen Idee einher, dass es nun einmal natürlich sei, Tiere millionenfach abzuschlachten und zu verwursten. Es seien ja bloss Tiere, wiederholt sich der Mensch mit einem subtil verinnerlichten Reflex immer wieder. Bei ihrer Abschlachtung ruft er bei den Tieren jedoch Qualen und Schreie hervor, welche er in sich selbst in stählerner Härte unterdrückt.
Es scheint, als wolle selbst die revolutionäre Linke es nicht in ihre politische Agenda mit aufnehmen, den blutigen Graben zwischen Menschen und Tieren zu schliessen. In der klassenkämpferischen Linken gab es jedoch immer wieder Personen und Strömungen, welche ein Interesse an der Versöhnung von Mensch und Tier zeigten. So zum Beispiel Max Horkheimer als er noch glühender Marxist war. Er schrieb in seinen Schriften wiederholt über das Elend der Tiere in der bürgerlichen Warenwirtschaft. In seinem Aphorismus Der Wolkenkratzer reflektiert er seine Beobachtungen in den Tierversuchslaboren, der Tiertransporte, der Gefangenschaft der Tiere im Zoo oder ihrer Qualen im Zirkus. Nach Horkheimer erhebt sich der gesamte Gesellschaftsbau, «dessen Keller ein Schlachthof» ist, auf dem Elend und der Verzweiflung der Tiere. Die Situation der Tiere beschreibt Horkheimer letztendlich als «Tierhölle der menschlichen Gesellschaft.» Auch andere Protagonisten der Kritischen Theorie setzten sich mit dem Leid der Tiere auseinander. So zum Beispiel Herbert Marcuse, der die Beseitigung der Gewalt, der Grausamkeit und der Aggression gegen Mensch und Tier als «Vorbedingung einer humanen Gesellschaft» begriff.
Eine unbeugsame Revolutionärin, die mit ihrer Anteilnahme an der Leiderfahrung anderer dafür kämpfte, den Lauf der Menschheitsgeschichte grundsätzlich zu verändern, war Rosa Luxemburg. Vor allem in ihren Gefängnisbriefen schrieb sie mehrmals eindrücklich über das Leid der Tiere, das sie selbst kaum aushielt und verleugnete nicht den Schmerz, in welchem sie eins war mit den Tieren. Bei Luxemburg wird deutlich, dass die Empathie und das Mitleidsvermögen ein zentrales Element einer revolutionären Vision ist. So auch bei der Anarchistin und bewaffneten Verteidigerin der Pariser Kommune, Louise Michel. Mit ihrem «Mitleid für alles, was leidet» kämpfte sie für eine Gesellschaft, in der «der bewusste und freie Mensch weder Mensch noch Tier quälen wird». Der antifaschistische Widerstandkämpfer Leonard Nelson verfolgte dasselbe Ziel und richtete sich direkt an die organisierte Arbeiter*innenschaft des Internationalen sozialistischen Kampfbundes (ISK). Wem «es ernst ist mit dem Kampf gegen jede Ausbeutung», so Nelsons Appell, «der beugt sich nicht der verächtlichen Gewohnheit harmlose Tiere auszubeuten». Der ISK richtete um die 1930er Jahre ausserdem fleischfreie Restaurants ein, welche eine wichtige Funktion als Vernetzungstreffpunkte im Widerstand gegen Hitler und den Nationalsozialismus erfüllten.
Tierausbeutung ist angreifbar
Menschen und Tiere haben gemeinsam, dass sie Schmerz und Leid aber auch Glück erfahren können. In den bestehenden Verhältnissen teilen sie darüber hinaus den Umstand, dass sie der zerstörerischen Logik des Kapitals unterworfen sind. Beim Kampf um die Befreiung der Tiere handelt es sich weitgehend um denselben Kampf wie ihn auch die lohnabhängigen Menschen um ihre Emanzipation führen. Es ist ein weltweiter Kampf gegen die Ungerechtigkeit und das Grauen und somit gegen die Herrschenden, deren Profit vom Unglück anderer Kreaturen abhängt. Die Klassengesellschaft baut auf der Unterdrückung von Menschen und Tieren auf. Ihre Überwindung ist daher eine notwendige Bedingung um eine Gesellschaft einzurichten in der der Ausbeutung die ökonomische Grundlage entzogen wurde. Nur eine Gesellschaft in der Menschen nicht über andere Menschen herrschen und auch keine Tiere unterdrücken ist eine wirklich solidarische und freie Gesellschaft. Diese Solidarität des Lebens ist aber nicht etwas, das auf sich warten lässt. Sie muss konkreter Bestandteil einer revolutionären Bewegung werden, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Solidarität als Praxis bewusst handelnder Menschen darf Tiere nicht ausschliessen. Ihre Befreiung ist abhängig vom Menschen. Es gilt daher den moralischen Impuls ernst zu nehmen, welchen wir beim Anblick eines geschundenen Tieres verspüren können. Nicht um ethischen Gehorsam und moralischen Verpflichtungen Folge zu leisten, sondern um den Tieren empathisch, ehrlich und solidarisch begegnen zu können.
Solidarität mit den Tieren darf aber genauso wenig ein blosses Lippenbekenntnis sein wie diejenige mit den Menschen. Um die nicht abzuweisende, nicht zu beschönigende absolute Not der «quälbaren Körper» (Adorno) zu überwinden, müssen wir gemeinsam aktiv werden und uns organisiert der systematischen Gewalt widersetzen. Wir müssen uns und mit uns die Tiere befreien! Unsere Aktionen und unser Widerstand müssen sich direkt und konkret gegen diejenigen richten, welche die tägliche Ausbeutung organisieren. Der tierindustrielle Komplex im Kapitalismus weist dabei viele Angriffsziele auf, um den blutigen Geschäftsbetrieb stören zu können und der Tierausbeutung entschieden entgegen zu treten. Wir rufen daher alle progressiven Kräfte dazu auf, den Kampf gegen die Ausbeutung und Unterdrückung der Tiere zu unterstützen und weiter zu arbeiten am revolutionären Umsturz der Welt – sie wartet längst darauf.
Hinter Tierausbeutung steht das Kapital – Bekämpfen wir es hier und international!
Tierbefreiungsbündnis Zitronenfalter
Tierrechtsgruppe Zürich, Tierrechtsgruppe Basel und Einzelpersonen