Das Geschäft mit der Flüchtlingsabwehr

Quelle: http://www.jungewelt.de/2015/09-17/002.php?sstr=grenzgesch%C3%A4fte

Am Festungsbau der Europäischen Union verdient die hiesige Rüstungsindustrie

Von Jürgen Heiser

Die Eliten der »Festung Europa« suchen nach einer Lösung, wie sie die Migrationsbewegungen der Menschen, die vor den Folgen der westlichen Kriegs- und Destabilisierungsstrategien im Nahen Osten und in Afrika fliehen, in den Griff bekommen können. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach vom »Druck der Verhältnisse«, als er die jüngst eingeführten Personenkontrollen und das Einstellen des Bahnverkehrs an der Grenze zu Österreich rechtfertigte.

Das vor 30 Jahren geschlossene Schengener Abkommen, das Binnengrenzen der Europäischen Union abschaffen und mit dem der unkontrollierte Reiseverkehr zur Normalität werden sollte, war in der Vergangenheit schon häufiger außer Kraft gesetzt worden. Anlässlich grenznaher Politikgipfel, Manifestationen von Protestbewegungen und sportlichen Großveranstaltungen waren nach Gutdünken Personenkontrollen an Staatsgrenzen durchgeführt worden, obwohl die betreffenden Länder »Schengener Staaten« sind. Aber aktuell wird Schengen ausgehebelt, um notleidende Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen zu stoppen.

Ursprünglich waren solche Kontrollen nur für maximal 30 Tage erlaubt. Eine »Notfallregelung« sieht jedoch vor, dass sie an Binnengrenzen mehrmals für 30 Tage durchgeführt werden können – bis zu maximal sechs Monaten. Nach Artikel 26 der vom EU-Parlament im Oktober 2013 verabschiedeten Verordnung darf dieser Zeitraum »höchstens dreimal um einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Monaten verlängert werden, wenn diese außergewöhnlichen Umstände bestehenbleiben«. Das bedeutet, dass EU-Binnengrenzen bis zu zwei Jahre kontrolliert werden können, ohne dass den ausführenden Mitgliedsstaaten offiziell ein Verstoß gegen das Schengener Abkommen vorzuwerfen wäre. Zwar heißt es in der Verordnung, dass »Migration und das Überschreiten der Außengrenzen durch eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen nicht an sich als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit betrachtet werden« sollten. Aber laut »ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union« sei »eine Abweichung vom grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit« dann möglich, wenn »eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt«. Das sah Innenminister de Maizière gegeben, der gemeinsam mit seinem Pariser Amtskollegen die »Notfallverordnung« vor zwei Jahren im EU-Parlament durchgesetzt hatte.

Am Montag ordnete auch Österreich Kontrollen an seiner Grenze zu Ungarn an, die sächsische Landesregierung dachte laut über solche Maßnahmen an der Schwelle zu Tschechien nach, Prag schloss gemeinsam mit der Slowakei die Grenze zu Ungarn und dort mobilisierte Premier Viktor Orbán das Militär, um seinen neuen Grenzzaun nach Serbien endgültig zu schließen. Diese Entwicklung ist noch im Gange. Sie zeigt, dass die EU-Binnengrenzen jetzt ungeachtet der ständig mit Eigenlob beweihräucherten »Freizügigkeit in Europa« schärfer überwacht werden sollen, um die nach der Genfer Konvention asylberechtigten Flüchtlinge wieder vor die äußere Umfriedung der »Festung Europa« zurückzudrängen. Es müsse darum gehen, »gemeinsam die Außengrenzen zu kontrollieren und nicht die Binnengrenzen«, betonte CDU-Europapolitiker Michael Gahler am Montag im RBB-inforadio. Dort müssten »Auffangzentren« für die Flüchtlinge errichtet werden. Es könne nicht darum gehen, »Stacheldraht an allen Binnengrenzen aufzuziehen«. Das gemeinsame Interesse der EU-Staaten sei »der effektive Außengrenzschutz«.

Dänemark macht dicht

Bereits Anfang vergangener Woche hatte auch Dänemark Kontrollen an der Südgrenze des Landes durchgeführt. Als Hunderte Flüchtlinge von Schleswig-Holstein aus mit dem Reiseziel Schweden das Land durchqueren wollten, ließ die dänische Polizei den gesamten Zugverkehr mit Deutschland einstellen. Auf Fähren zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf der dänischen Insel Lolland wurden keine Züge mehr transportiert. 300 Flüchtlinge, die ihren Weg von der BRD aus zu Fuß über die Autobahn fortsetzen wollten, hielt die dänische Polizei fest und sperrte die E 45 bei Padborg in beide Richtungen. Die dänische Südgrenze war für Migranten dicht. Die im Juni neugewählte dänische Regierung der rechtsliberalen Partei Venstre unter Lars Løkke Rasmussen löste damit ihr Wahlversprechen ein, mit harter Hand gegen Flüchtlinge vorzugehen. Venstre hatte mit fremdenfeindlichen Parolen nach Art der rechten Dänischen Volkspartei (DF) den Wahlkampf geführt und, obwohl sie nur eine Minderheitsregierung stellt, sofort eine Verschärfung des Asylrechts durchsetzen können. Die finanzielle Unterstützung für Flüchtlinge zu kürzen, werde »bewirken, dass weniger Asylbewerber nach Dänemark kommen«, zitierte die österreichische Tageszeitung Die Presse die zur sogenannten Integrationsministerin ins dänische Kabinett berufene Inger Stöjberg. »Das ist unser ganz klares Ziel.« Gleichzeitig kündigte Ministerpräsident Rasmussen die Ausweitung der Grenzkontrollen an und setzte damit eine der zentralen Forderungen der DF um.

Als Dänemark seine Grenze zur BRD dichtmachte, zeigten sich einige Kommentatoren der deutschen Mainstreammedien noch überrascht. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich Kanzlerin Merkel noch als »Mutter Teresa der Flüchtlinge« feiern. Von dem gespielten Erstaunen war dann am Wochenende, als »die Guten«, also die Mitglieder der Bundesregierung, ebenfalls Grenzkontrollen veranlassten, nichts mehr zu hören. Im Gegenteil zitierte man jetzt Ungarns Premier mit dem Lob, dass die Entscheidung »notwendig war, um die gewachsenen Werte Deutschlands und Europas zu verteidigen«. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer rühmte das Vorgehen als »wichtiges Signal an den Rest der Welt«.

Gerade die Vorgänge an der Grenze Dänemarks zu Schleswig-Holstein zeigten, dass sich die neue Regierung in Kopenhagen damit keinesfalls in Widerspruch zu Berlin brachte. Vielmehr wurde mit den dänischen ebenso wie mit den deutschen Binnengrenzkontrollen ein Regelwerk vorgeführt, das der reinen Abschreckung von Migranten dient. Unter dem Tarnnetz des Schengener Abkommens wird dieses Grenzregime seit langem ausgebaut. Auch die dänischen Behörden haben unabhängig davon, wer gerade die Regierung stellte, seit Jahren mit Wissen und Einverständnis der deutschen Bundesbehörden ihre Grenzanlagen neu organisiert. Dazu hatte das Flensburger Tageblatt schon am 9. August 2011 gemeldet, der dänische Zoll wolle Teile eines entsprechenden Baus auf dem Boden Schleswig-Holsteins errichten. Der Direktor der dänischen Zollbehörde, Erling Andersen, sagte damals dem Blatt, im September des Jahres würde damit begonnen, »vor dem Autobahnübergang Ellund elektronische Tafeln zur Geschwindigkeitsreduzierung, Stopplichter und Schranken zu installieren«. Auf der dänischen Seite solle der Verkehr dann nach Errichtung der neuen Anlagen mit Tempo 40 auf eine asphaltierte Fläche geleitet werden, die noch aus der Zeit vor Dänemarks Beitritt zum Schengen-Raum stammt. Das Ziel der Baumaßnahme sei, so Andersen verharmlosend, »bei stichprobenartigen Kontrollen die Verkehrssicherheit zu erhöhen«.

Unter Berufung auf dänische Straßenbaubehörden berichtete die Zeitung weiter, das Parlament in Kopenhagen habe »die dafür nötigen 1,43 Millionen Euro bereits im Jahr 2008 in den Haushalt eingestellt«. Der Neubau habe nichts mit den intensiveren Kontrollen zu tun, die Dänemark schon einmal im Juli 2011 aufgenommen und sich dafür europaweiter Kritik ausgesetzt hatte. Die angestrebte verbesserte technische Ausrüstung der Grenzanlage werde künftig »natürlich für die neue Form der Kontrollen genutzt«, so Andersen. Es sei klar, »dass wir die Anlage darin einbeziehen«. Für eine Sprecherin des Verkehrsministeriums in Kiel waren die Ausbaupläne der dänisch-deutschen Grenze eine »einfache Verwaltungsgeschichte«. Die Pläne für die Anlage, die sich auf deutsches Staatsgebiet erstreckt, seien mit dem schleswig-holsteinischen Landesbetrieb Straßenbau abgestimmt und vertraglich geregelt.

Nach Wiedereinführung der dänischen Zollkontrollen hatte auch Norwegen im Juli 2011 bekanntgegeben, die Grenzüberwachung zum Nachbarland Schweden zu verstärken. Dort herrscht mit Ausnahme der rechten Schwedendemokraten in allen Parteien Einigkeit darüber, dass man Flüchtlinge willkommen heißen sollte. 81.180 waren es 2014. In den Nachbarländern ist man sich hingegen parteiübergreifend einig darin, dass man sie draußen halten sollte. So verkündete Norwegens Justizminister Knut Storberget laut AFP im Sommer 2011, das Budget von Zoll und Polizei in der an Schweden angrenzenden Provinz Oestfold sei aufgestockt worden, »um gegen Schmuggel vorzugehen und illegale Asylbewerber abzufangen«. Man habe »sehr solide« Kontrollen eingerichtet und im Grenzgebiet eine »sehr intensive« Polizeiarbeit aufgenommen, sagte Storberget vor vier Jahren. Anders als Dänemark gehört Norwegen nicht der EU an, zählt aber zu den Schengen-Staaten.

Befestigung der EU-Außengrenzen

Wie anhand der Beispiele Dänemarks, Norwegens und der BRD nachvollziehbar wird, schotten sich die europäischen Staaten nicht nur aktuell an den Südgrenzen der EU nach außen ab, sondern sie planen schon jahrelang, sich notfalls zur Migrationsabwehr auch voneinander abzuschirmen. Damit tritt heute in Europa ein Prozess offen zutage, der seit Jahren ein hochtechnisiertes Regime aller Staatsgrenzen vorantreibt, bei dem die Sicherung der Binnengrenzen eine nachgeordnete Funktion zur strategischen Hauptaufgabe der Sicherung der Außengrenzen der »Festung Europa« erfüllt. Der in den letzten Wochen gegen Budapest erhobene Zeigefinger erweist sich vor diesem Hintergrund als Heuchelei. Die Sicherheitsstrategen der EU bereiten sich schon seit vielen Jahren darauf vor, die Menschen, die in Europa eine Zukunft für sich und ihre Familien suchen, unter Kontrolle zu bringen und abzuwehren.

Die politischen Instrumente, die das EU-Parlament dazu geschaffen hat, sind hinlänglich bekannt. Eine knappe Woche nach dem Tod von 380 Flüchtlingen, die in der Nacht zum 4. Oktober 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa ertrunken waren, stimmte das EU-Parlament der Einführung des kritisierten »Europäischen Grenzüberwachungssystems« (»European Border Surveillance System, Eurosur) mit großer Mehrheit zu. Am 2. Dezember 2013 wurde es zunächst in 18 EU-Staaten und in Norwegen gestartet. Für Kritiker war es die zynische Antwort der EU auf den 2011 beginnenden »arabischen Frühling« und die durch das Aufbegehren gegen die Diktaturen in Nordafrika und Arabien ausgelöste Migrations- und Fluchtbewegung.

Eurosur ist ein gigantisches Überwachungsprogramm, das die Mitgliedsstaaten darauf verpflichtet, alle Informationen über Fluchtbewegungen mit dem Herzstück von Eurosur, der EU-Grenzschutzagentur Frontex, auszutauschen. In der Agentur laufen alle Daten zusammen, um das Handeln aller teilnehmenden Länder zu koordinieren. Frontex steht für die Organisation der flächendeckenden Überwachung an den EU-Außengrenzen zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

In der Zusammenfassung der Studie »Grenzwertig: Eine Analyse der neuen Grenzüberwachungsinitiativen der Europäischen Union« der Heinrich-Böll-Stiftung vom Mai 2012 heißt es dazu: »(…) ungeachtet der humanitären Krise unter Migrantinnen/Migranten und Flüchtlingen, die auf dem Mittelmeer nach Europa unterwegs sind, stellt Eurosur weniger ein lebensrettendes Instrument dar, sondern ergänzt vielmehr die langjährige europäische Politik, mit der diese Menschen daran gehindert werden, in das Hoheitsgebiet der EU zu gelangen (unter anderem mittels sogenannter ›Zurückdrängungs‹-Aktionen, bei denen die Migrantenboote gezwungen werden, in das Land zurückzukehren, aus dem sie gekommen sind).«

Als Konkretisierung dieser Zurückdrängungsaktionen kündigte die EU an diesem Dienstag an, die Phase II ihrer Marineoperation »European Union Naval Force Mediterranean« im Mittelmeer in Angriff zu nehmen. Ab Oktober soll sie auf Phase I folgen, in der seit Juni Informationen über Schleuserorganisationen gesammelt werden. Den aus der nordafrikanischen und arabischen Region aufbrechenden Boatpeople sollen künftig die Fluchtwege abgeschnitten, ihre Boote zerstört und die Organisationen der »Schleuser« ausgeschaltet werden. Die Bundesmarine ist daran mit einer Fregatte und einem Versorgungsschiff beteiligt. In Phase III wird schließlich das bewaffnete Vorgehen der Marineverbände gegen Hafen- und Versorgungsanlagen und Nachschubwege der »Schleuser« in Libyen und anderswo folgen. Woher das dazu notwendige UN-Mandat kommen soll und inwiefern »Kollateralschäden« unter Flüchtlingen in Kauf genommen werden sollen, liegt derzeit noch im dunkeln.

Made by Airbus

Knapp ein Jahr nach Inkraftsetzung von Eurosur titelte die Süddeutsche Zeitung am 23. Oktober 2014, die EU gebe Milliarden aus, um an den Außengrenzen Flüchtlinge aufzuhalten. Gebracht habe es nur wenig. »Jetzt soll mit Hightech nachgeholfen werden.« Seit 2007 habe die EU rund vier Milliarden Euro für einen länderübergreifenden Fonds mit dem Namen »Solidarität und Steuerung der Migrationsströme« zur Verfügung gestellt. Das Geld werde »überwiegend zur Abwehr von Flüchtlingen und Migranten eingesetzt«, kritisierte Amnesty International. Es fließt in den Bereich »Grenzsicherung«, also den Bau von Zäunen, Überwachungsanlagen und Ausrüstungen für Patrouillen.

Tonangebend bei der materiellen Entwicklung des EU-Grenzsicherungsregimes sind Unternehmen der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie. Nur selten wird das Agieren dieser Konzerne im Zusammenhang mit der Sicherung der EU-Außengrenzen thematisiert. Im Dezember 2014 befassten sich einige wenige Wirtschaftsredaktionen hiesiger Medien mit dem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus. Von der Staatsanwaltschaft München I war durchgesickert, dass sie nach Hinweisen auf Schmiergeldzahlungen Geschäftsräume an fünf Standorten der in Bayern ansässigen Airbus-Tochter Airbus Defence and Space GmbH durchsucht hatte. Laut dem Sender N-TV lagen »Verdachtsmomente um Großprojekte in Saudi-Arabien und Rumänien« vor. In beiden Ländern sollten Amtsträger bestochen worden sein, um Airbus Aufträge zum Aufbau elektronischer Grenzsicherungsanlagen im Wert von insgesamt drei Milliarden Euro zu sichern.

Airbus ist einer der europäischen Hauptakteure in Sachen EU-Grenzsicherung. Die Produkte auf diesem Markt umfassen Entwicklung und Wartung von Überwachungssoft- und -hardware für Informationssysteme, z. B. von Eurosur und Frontex. Die Geräte und Anwendungen reichen von der Ausrüstung für Patrouillenboote und -fahrzeuge über Funkgeräte und Biometriescanner bis hin zu kompletten Satellitenanlagen. Im Verlauf vieler Jahre ist ein mächtiger Industriezweig entstanden, der nicht nur Empfänger von Aufträgen der EU-Agenturen und Staaten ist, sondern zunehmend über politische Definitionsmacht verfügt. Hier nimmt die Agentur Frontex eine gewichtige Vermittlerrolle ein, denn laut ihrer Eigenwerbung gehört es zu ihrem Selbstverständnis, die Grenzschutzbehörden der EU-Mitgliedsstaaten mit den »Welten der Forschung und der Industrie« zu verknüpfen. Dazu organisiert Frontex gemeinsam mit der EU-Kommission Messen wie jene »2nd Global Conference on Future Developments of Automated Border Controls (ABC)« vom 10. und 11. Oktober 2013 in Warschau. Auch zu Arbeitstagungen wie dem »10th Workshop on Automated Border Control (ABC)« in München vom 28. bis 29. Oktober 2015 lädt Frontex Vertreter von Industrie, EU-Mitgliedsstaaten und Drittländern ein.

Als der Airbus-Konzern noch unter EADS firmierte, rühmte er sich 2004 in Selbstdarstellungen als »wichtigen Akteur, der sich auf dem Gebiet der Grenzsicherungstechnologie spezialisiert hat und beispielsweise Rumänien in Vorbereitung seines Schengen-Beitritts mit einem eine Milliarde Euro teuren Grenzsicherungssystem ausgestattet hat«. Rumänien seinerseits bekomme wie alle Beitrittsstaaten von der EU finanzielle Unterstützung, um seine Außengrenzen auf EU-Standard zu bringen. Als weiteres Beispiel für seine Bedeutung nannte der Konzern seinen Hubschrauber »Eurocopter«, der an den EU-Außengrenzen zum Einsatz komme.

Einfluss der Waffenproduzenten

Nach Recherchen des ARD-Magazins »Report Mainz« vom 17. März 2015 nimmt die Rüstungsindustrie seit Jahren Einfluss auf die EU-Grenzsicherungspolitik. Im Rahmen des »Europäischen Sicherheitsforschungsprogramms« (ESFP) beraten die Rüstungskonzerne die EU-Kommission in technischen Fragen der Grenzüberwachung. In wenigen Jahren flossen 210 Millionen Euro in die Erforschung und Erprobung neuer Technologien. Dabei ist es nicht etwa die EU-Kommission selbst, sondern es sind die Vertreter der Industrie, die im Auftrag der Kommission Prioritäten für das ESFP festlegen. Auch im aktuellen Beratergremium der EU-Kommission für Sicherheitsforschung finden sich zahlreiche Abgesandte der Rüstungsindustrie. Vorsitzende solcher Gruppen waren Experten der Rüstungskonzerne EADS/Airbus und Thales. Letzteres Unternehmen koordinierte wesentliche Eckpunkte des aktuellen Einsatzes von Überwachungstechnologien an den EU-Außengrenzen und erstellte im ESFP eine Studie zu Bedrohungsszenarien und möglichen Lösungsansätzen. Der französische Drohnenhersteller SAGEM erhielt als Projektkoordinator Fördergelder aus dem ESFP-Topf, um ein Einsatzkonzept für Drohnen zur Grenzüberwachung zu erarbeiten. Keine Frage, dass im Abschlussbericht die entsprechende Verwendung von Drohnen bejaht wurde.

Ska Keller, migrationspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament, erklärte am 17. März 2015 im Interview mit »Report Mainz«, es werde niemals hinterfragt, »ob wir all die Satelliten, Drohnen und Sensoren wirklich brauchen«. Die wichtigen Entscheidungen seien nicht im EU-Parlament, sondern in den Hinterzimmern gefallen. »Und die Industrie sitzt immer mit am Tisch« – den Frontex gedeckt hat, möchte man hinzufügen.

Entschlossene Menschen, die sich in Bewegung gesetzt haben, sind jedoch nicht aufzuhalten, wie neue Fluchtwege an Zäunen und Hightech vorbei belegen. Auch nicht durch noch so unerträgliche Menschenrechtsverletzungen, wie gegenwärtig durch das EU-Grenzregime. Sie werden weiter Wege suchen und finden, die Grenzen zu überwinden. Das weiß auch Said Raad Al-Hussein, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, der die EU und andere Staaten am Montag in Genf dazu aufrief, mehr für Kriegsflüchtlinge zu tun. Jetzt seien rasche und entschlossene Aktionen zur Schaffung eines effektiven Asylsystems erforderlich.