Die Positionen der etablierten Parteien zur Bundestagswahl 2017
Es ist mal wieder soweit: Am 24. September 2017 werden die BürgerInnen der Bundesrepublik Deutschland zur Bundestagswahl an die Urnen geladen. Dass Parteien im Kampf um WählerInnenstimmen allerlei für „Bürgerinnen und Bürger“ und für die Tiere versprechen und hinterher bestenfalls kosmetische Reformen vorgenommen werden, ist nichts Neues. Ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass sich allein mit Wahlen, parlamentarischer Repräsentation oder dem Mitmachzirkus von Bürgerbeteiligung bis Volksabstimmungen keine wirklich grundsätzlichen gesellschaftlichen Veränderungen – wie die Abschaffung des Privateigentums – durchsetzen lassen. Ein Beispiel dafür sind die Tierschutzgesetze in Deutschland oder der Schweiz: Die Zahlen der geschlachteten Tiere sind so hoch wie nie zuvor, obwohl der Tierschutz in beiden Staaten Verfassungsrang besitzt.
Nichtsdestotrotz lohnt es sich, einen Blick in die Programme zu werfen, mit denen die größten Parteien in Deutschland derzeit für sich werben. Denn diese Parteien organisieren nicht nur die politisch-ökonomischen Interessen verschiedener Klassenfraktionen in der Zivilgesellschaft und im Staat. Sie besorgen auch ihre politische Durchsetzung und ideologische Vermittlung. Das betrifft nicht nur die Ausbeutung der ArbeiterInnen oder die imperialistische Unterwerfung peripherer Staaten im kapitalistischen Weltsystem (bzw. gegebenenfalls die reformistische oder revolutionäre Opposition dagegen). Auch die ökonomische Ausbeutung der Natur im Allgemeinen und der Tiere im Besonderen durch Staat und Kapital wird mit Hilfe der Parteien politisch exekutiert und legitimiert. Damit sich dies nicht ändert, müssen die Kapitäne insbesondere der Fleischindustrie dafür Sorge tragen, dass die größte aller Nahrungsmittelindustrien der Republik und die führende in der Europäischen Union weiterhin durch den Staat und seine VertreterInnen hofiert, protegiert und alimentiert wird. Wie die Parteien in der gegenwärtigen historischen Konstellation das politische Geschäft für die Fleischindustrie besorgen und wie sie dies rechtfertigen, kann man den Parteiprogrammen entnehmen.
Gleichzeitig hat das Wohlergehen der Tiere – zumindest für alle großen Parteien – aufgrund des wiederholt belegten öffentlichen Interesses, der breiten gesellschaftlichen Diskussionen, verschiedener Skandale, des politischen Drucks von der Straße und der zunehmenden ökonomischen Bedeutung der vegetarischen und veganen Lebensmittelproduktion über die letzten Jahrzehnte an politischer Bedeutung gewonnen. Tierschutz ist Wahlkampfthema – obgleich sicherlich eines von nachgeordneter Wichtigkeit. Die etablierten Parteien können es sich heute nicht mehr erlauben, keine Position zu dem Thema zu haben. Nur so lässt es sich erklären, dass etwa die FDP ihr Herz für „artgerechte Tierhaltung und Tierernährung“ entdeckt hat. Andere, insbesondere BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Partei DIE LINKE, versuchen sogar offensiv, über den Tierschutz potentielle WählerInnen zu gewinnen und sich bei NGOs und Bewegungsakteuren zu profilieren, die als Stimmenmultiplikatoren dienen könnten. Scheinbar müssen die politischen RepräsentantInnen der Bundesrepublik, wenn auch teils nur aus funktionellen Zwängen, Zugeständnisse an Teile der Bevölkerung machen.
Doch fangen wir mit dem Schlimmsten an.
Instrumentalisierung der Tiere für rassistische und antisemitische AfD-Propaganda
Die AfD verspricht in ihrem Wahlprogramm, sich für eine „mitfühlende und würdevolle Behandlung aller Tiere“ einzusetzen. Dies müsse mit Bezug auf Haltung, Transport und Schlachtung gelten. Derlei Absichtserklärungen sind Plattitüden, die nahezu alle Parteien in dieser oder ähnlicher Form zu Papier gebracht haben und deren Inhalt in keinerlei Widerspruch zu aktuell gängigen Auffassungen von TierausbeuterInnen stehen. Ebenso verhält es sich mit der Forderung, „die Rechtssicherheit von (…) Kleintierhaltungen zu verbessern“, mit denen „frische Lebensmittel“ gewonnen“, „die genetische Vielfalt“ erhalten und ein „Beitrag für die Krisenvorsorge“ geleistet würden.
Die AfD verfügt allerdings über ein Alleinstellungsmerkmal in puncto Tierschutz. Mit Verweis auf die Gleichbehandlung vor dem (Tierschutz-)Gesetz brandmarkt sie eine bestimmte Methode, Tiere zu töten, – das Schächten – und fordert deren Verbot. Um die Tiere geht es dabei herzlich wenig. Vielmehr handelt es sich bei der Forderung um in Tierschutzterminologie verkleidete, rassistische und antisemitische Propaganda: Das Schächten wird maßgeblich von Angehörigen islamischen oder jüdischen Glaubens praktiziert – was die AfD daran wohl am meisten stört. Eine Ablehnung des millionenfachen Tötens von Tieren in der deutschen Fleischindustrie sucht man in ihrem Wahlprogramm jedenfalls vergebens.
Die Stützen der Tierausbeutungsindustrie: CDU/CSU und SPD
SPD und CDU/CSU (Christlich-Soziale Union) sind seit Jahrzehnten die (partei)politischen Stützen der Tierausbeutungsindustrie in der Bundesrepublik. Trotz ihrer Bekenntnisse zum „Tierschutz“ und „Tierwohl“1 tragen sie politisch die Hauptverantwortung für die Fortexistenz und Expansion der Fleischindustrie mit allen ihr vor- und nachgelagerten Betrieben in der Wertschöpfungskette, wie z.B. im Bereich der Mast, der Zucht usw. Dasselbe gilt im Wesentlichen auch für die Tierversuchs-, Bekleidungs-, Pharmaindustrie usw.
Ihre Politik im Sinne der Profiteure der Tierausbeutung spiegelt sich auch in den „Regierungsprogrammen“ (Herv. MuTb) der drei Parteien für die kommende Legislatur wieder. Sowohl SPD als auch CDU/CSU formulieren ihre Positionen zum Umgang mit Tieren maßgeblich im Rahmen ihrer projektierten Landwirtschaftspolitik. Einig ist man sich in der Großen Koalition bereits vor dem Votum im September, dass man die Ausbeutung der Tiere durch die Kapitalfraktionen der Tierausbeutungsindustrie nicht antastet, sondern weiterhin die Tiere der Profitmacherei auf dem Silbertablett ausliefern wird.
Im Einklang mit dieser Grundhaltung befürworten SPD und CDU/CSU zahlreiche Maßnahmen, um den durch Fleisch-, Eier-, Leiharbeits- und andere Skandale beschädigten Ruf des Standortes Deutschland ein wenig aufzupolieren – „gesellschaftliche Akzeptanz herstellen“ (CDU/CSU) – und die Ausbeutung von Mensch und Tier effizienter zu gestalten. Das Trio will eine sogenannte nationale und EU-weite – damit keine Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen entstehen – „Nutztierstrategie“ einführen. Die CDU/CSU benennt relativ deutlich, was deren Zweck sein soll: „die Investitions- und Planungssicherheit für Betriebe erhöhen“. Ebenso fordern die drei Parteien ein staatliches Label – CDU/CSU für Tierwohl, SPD für Tierschutz –, mit dem Tier-Waren aus „artgerechter Haltung“ etikettiert werden sollen. Legt man die im Vergleich zu den Vorschlägen des Bundesministeriums für Ernährung Landwirtschaft weitergehenden Kriterien des Labels „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes zugrunde, sind die Unterschiede für die Tiere allerdings marginal. Ein bisschen mehr Platz für Hühner und Schweine, „Kontakt mit dem Außenklima“, Kastration nur mit Betäubung, eine Sitzstange, ein bisschen Stroh und „nur in begründeten Ausnahmefällen“ Transporte, die länger als vier Stunden dauern.
In erster Linie geht es bei dem staatlichen Marketing, das SPD, CDU und CSU wollen, darum, ein neues Marktsegment durch Verschiebungen im Konsumverhalten zu etablieren bzw. einen alten Markt einer neuen Nachfrage anzupassen. An der Produktion von Waren aus Tieren oder Tieren als Waren will die schwarz-rote Koalition jedenfalls nicht rütteln. Aber selbst wenn sie die genannten Tierwohl- bzw. Tierschutz-Reförmchen wirklich wollte, hätte sie sie auch schon längst umsetzen können.
Ganz so einfach wäre die Umsetzung einiger weitergehender SPD-Vorschläge jedoch nicht, wie z.B. die Einrichtung einer Tierschutzombudsstelle oder die Reduktion – nicht die Abschaffung – von Tierversuchen. Nichtsdestotrotz überschreiten sie allesamt den Horizont eines Tierschutzes nicht.
Grüne Modernisierungsideen: Tierausbeutung mit freundlichem Antlitz
Das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen sticht in Bezug auf die Belange der Tiere durch das relativ prominent platzierte Versprechen der Partei heraus: „Wir beenden Tierleid.“
Doch bei näherem Hinschauen entpuppt sich die vollmundige Ankündigung als medienwirksam inszenierte Augenwischerei. Während die Grünen in ihren Anfängen unter „Atomausstieg“ zumindest mehrheitlich noch das Ende der Atom-Energieproduktion verstanden haben, verhält es sich bei der Tierproduktion bereits im gegenwärtigen frühen Stadium der Auseinandersetzungen mit den entsprechenden Kapitalfraktionen anders. Die Tierproduktion wird gar nicht erst grundlegend in Frage gestellt, sondern lediglich ihre „industrielle“, auf die Herstellung von „Massenwaren“ ausgerichtete Form. Die Grünen fordern dementsprechend keinen Ausstieg aus der Tierhaltung, sondern lediglich ihre „radikale Änderung“.
Die Partei ist überzeugt, dass man das Leiden der Tiere beendet, ihnen „ein besseres Leben“ sichert und ihre „Würde achtet“, indem man z.B. „mehr Platz in den Ställen“ und „für Auslauf“ schafft, Transportzeiten begrenzt, „deutlich weniger Antibiotika“ verabreicht, Tierversuche reduziert usw. Damit das „Wohl der Tiere“ – „von der Aufzucht und der Haltung über den Transport bis zur Schlachtung“ – im Vordergrund steht, sollten außerdem, so der Plan, „kleine regionale Schlachthöfe und mobile Schlachteinrichtungen“ gefördert, Tiertransporte „entbehrlich“ gemacht und Wege verkürzt werden. Dies und anderes möchten die Grünen mit einem „Pakt für faire Tierhaltung“ (Herv. MuTb) fördern – „damit sich tier- und umweltgerechte Haltung auch wirtschaftlich rechnet“. Die Grünen zerbrechen sich aber nicht nur den Kopf der UnternehmerInnen mit einer sogenannten corporate environmental responsibility, sondern auch den der „VerbraucherInnen“: sie möchten Informationen über „Tierhaltung“ „viel transparenter“ und „zugänglicher“ machen. Dann könnten bewusste „Konsument*innen Tierleid und Umweltzerstörung die Rote Karte zeigen“ und „wirklich eine Entscheidung darüber fällen, welches Fleisch sie essen wollen“.
Mit anderen Worten: „Die Schlachtung von Tieren darf nicht im Akkord geschehen“, sie soll aber geschehen und zwar in kleinen smarten Betrieben mit regionaler Reichweite, damit Fleisch mit gutem Gewissen konsumiert werden kann. Wie im Kampf gegen die Zerstörung der Natur verfolgen die Grünen nicht nur keine antikapitalistische Strategie, sondern sie arbeiten vielmehr an der Modernisierung des Ausbeutungs- und Herrschaftsapparats. Produktion, Märkte und Konsum werden ökonomisch diversifiziert, nicht umgewälzt. Hauptsache, das gute Gewissen der gut betuchten VerbraucherInnen ist beruhigt.
DIE LINKE – grün light
Hinsichtlich der konkreten Ideen, wie mit Tieren in Zukunft umgegangen werden soll, unterscheidet sich das Wahlprogramm der Partei Die Linke nicht substanziell von den Vorschlägen von Bündnis 90/Die Grünen. Ihre Forderungen sind lediglich in verschiedene, teils aber kompatible, d.h. koalitionstaugliche Partei-Projekte eingebettet. Während die Einen eine linkssozialdemokratische Strategie verfolgen, stehen die Anderen für eine grün-(neo)liberale. Anders als bei den Grünen spielt der Tierschutz für das politische Selbstverständnis und den Wahlkampf der Linkspartei aber bislang keine herausragende Rolle.
DIE LINKE befürwortet „eine Nutztierhaltung, die flächengebunden, auf die einheimische Nachfrage bezogen und tiergerecht ist“. „Nutztierhaltung mit quälerischen Produktionsweisen und einem hohen Bedarf an Antibiotika“ möchte sie verbieten, Tiertransporte auf vier Stunden beschränken und die Produktion derart regeln, dass der „nächstgelegene Schlachthof (…) stets bevorzugt“ angefahren und in Anspruch genommen wird. Inwiefern die „Nutztierhaltung“, der Transport oder die Tötung von Tieren „tiergerecht“ und der Umgang mit Tieren unter diesen Voraussetzungen „respektvoll“ sein soll, wie es im Wahlprogramm gefordert wird, bleibt das Geheimnis der Partei.
Splitterparteien für Tierschutz und Tierrechte keine Alternative
Wenn die etablierten Parteien keine überzeugenden Positionen im Sinne der Tiere aufweisen, sind dann möglicherweise Tierschutzpartei (auch Partei Mensch Umwelt Tierschutz, MUT) oder V-Partei³ – Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer (kurz V-Partei) eine, wenn auch möglicherweise nur strategische Alternative, bei denen man sein Kreuzchen machen könnte? Mitnichten.2
Zunächst sind beide faktisch Ein-Themen-Parteien, auch wenn sie sich redlich bemühen, einen anderen Eindruck zu erwecken und ihre Programme ausgebaut haben. Sie engagieren sich hauptsächlich dafür, weitgehende Tierrechte, die zumindest das industrielle Töten beenden könnten, durch parlamentarische Beschlüsse einzuführen. Die Ausbeutung der Tiere begreifen sie im Kern immer noch als eine „moralische“ und eine Frage des Rechts. Ihr Kernprojekt ist aber innerhalb der bürgerlichen Eigentumsordnung ein Widerspruch in sich.
Umso schwerer wiegt, dass beide Parteien keine grundlegende Kritik der bestehenden kapitalistischen Klassengesellschaft, nicht einmal der bürgerlichen Demokratie formulieren, auch wenn sie die politische Klasse oder ausgewählte Prozesse der neoliberalen Autoritarisierung des Staates teils zu Recht hart attackieren. Sie verfolgen auch nicht das Ziel einer qualitativ anderen, sozialistischen Gesellschaft. Vielmehr „bekennt“ sich die V-Partei „uneingeschränkt“ zum „Grundgesetz und seinen Werten“ und die Tierschutzpartei fühlt sich ausdrücklich der „sozialen und ökologischen Marktwirtschaft“ verpflichtet.
Dementsprechend werden in den Grundsatz- und Wahlprogrammen beider Parteien zahlreiche, mitunter auch sinnvolle Forderungen im Sinne der Tiere und Menschen mit skurrilen und zum Teil reaktionären Forderungen vermengt. Die Position der V-Partei, die Agrarindustrie in „eine Landwirtschaft ohne Tierproduktion“ umzuwandeln, könnten wir beispielsweise genauso unterschreiben wie das „Nein“ der Tierschutzpartei zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zum „Fracking“. Aber diese grundsätzlich richtigen Teilforderungen werden nicht nur durch die kleinbürgerlichen Linien der Parteien falsch, sondern auch durch andere, ökomodernistische und teils ausdrücklich rechtspopulistische Standpunkte konterkariert.
Die V-Partei fordert zum Beispiel Volksabstimmungen „wie in der Schweiz“ und spricht sich für einen „grünen“ Kapitalismus (Elektroautos zur Standortsicherung, Bepreisung von Naturverbrauch und -destruktionen, „stabile Märkte“ und „qualitatives“ Wachstum in einer „Postwachstumsgesellschaft“) aus. Sie befürwortet auch „den Erhalt und Ausbau der Europäischen Union als Werte-und Solidargemeinschaft“ und sogar „Auffanglager“ für Flüchtlinge „an den ‚hot spots‘ der EU Außengrenze“.
Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz steht in der Flüchtlingspolitik noch deutlich weiter rechts. Sie will, dass die „Industriestaaten wie Deutschland“ dafür zahlen, dass Flüchtlinge in ihren „Nachbarländern“ bleiben, damit sie „ihrer Kultur“ weniger „entfremdet“ würden. Die Globalisierung „im positiven Sinne“ beinhalte schließlich „auch eine größere Verantwortung für ärmere bzw. krisengefährdete Länder“. „Asylmissbrauch“ müsse verhindert werden. AsylbewerberInnen sollten hingegen über „unsere wichtigsten Gesetze“ aufgeklärt werden und eine „Verpflichtungserklärung“ zu ihrer Einhaltung unterschreiben.
Dass in der über 20-jährigen Geschichte der Partei wiederholt Mitglieder, Amts- und Mandatsträger, die ähnliche Forderungen zuvor jahrelang mitgetragen haben, aus der Partei ausgetreten sind, weil sich diese nicht entschieden von rassistischen und antimuslimischen Positionen distanziert und rechte Mitglieder nicht hinausgeschmissen hat, ist also nicht überraschend. Ebenso wenig, dass die Tierschutzpartei in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf noch heute eine gemeinsame Fraktion mit den dortigen „Freien Wählern“ – einem Sammelbecken von angeblich geläuterten FaschistInnen und RechtspopulistInnen –, unterhält und diese prominent in ihrer Selbstdarstellung auf der Partei-Website bewirbt.
Unsere Wahlempfehlung: Organisiert Euch gegen Kapital und Staat!
Keine der großen Parteien stellt die Ausbeutung der Tiere durch Fraktionen der herrschenden Klasse grundsätzlich in Frage. Sie besitzen nicht einmal klassische reformistische Strategien, die auf eine schrittweise Abschaffung der Tierausbeutung abzielen. Die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, in denen die Natur im Allgemeinen und die Tiere im Besonderen lediglich für Kapitalisten Waren und frei verfügbare Produktionsmittel sind, werden nicht angetastet. Im Gegenteil: Sie werden entweder gutgeheißen oder sollen im Sinne einer politisch-ökonomischen Modernisierung transformiert werden. Das gilt auch für die Tierrechtsparteien.
Dementsprechend vertreten die Parteien von AfD bis Linkspartei ausnahmslos Tierschutz und keine Tierbefreiungs-Positionen. Zu deren Begründung bedienen sie sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten variierender Versatzstücke der etablierten bürgerlichen Tierschutz-Ideologien. Vor diesem Hintergrund verblassen sogar eigentlich sinnvolle Einzelforderungen, wie z.B. das Verbot von Wildtieren im Zirkus oder ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen, die Rot-Rot-Grün bereits problemlos mit ihrer parlamentarischen Mehrheit hätte einführen können.
Die V-Partei und die Tierschutzpartei stellen aufgrund ihrer Themen-Fokussierung deutlich weitergehende Forderungen für den Umgang mit Tieren als die großen Parteien. Allerdings unterscheiden sie sich in ihrer Grundausrichtung und in wesentlichen Fragen des theoretischen und politischen Klassenkampfes nicht von den grünen bis dunkelblau-braunen RepräsentantInnen des bürgerlichen Blocks.
Wer sich also für die Befreiung der Tiere – sowie freilich der Menschen – von der Ausbeutung und Herrschaft der Bourgeoisie einsetzen will, kann sich weder auf den bürgerliche Parteienblock noch auf die Tierrechtsparteien verlassen. Dies ist angesichts des verschärften Klassenkampfs von oben, den dieser seit Jahrzehnten führt, auch kaum eine Überraschung. Vielmehr bedarf es der eigenen unabhängigen Organisation gegen den bürgerlichen Staat und das Kapital, um eine sozialistische Gesellschaft zu erkämpfen, in der die Menschen und die Tiere friedlich miteinander leben können.
1 Bei dem Begriff Tierwohl handelt es sich um eine politisch motivierte Wortneuschöpfung, die eine inhaltlich nicht näher bestimmte und unverbindliche, aber bessere Behandlung von Tieren seitens der Tierindustrien beschreiben soll. Diese umfasst aber nicht einmal die gängigen Forderungen etablierter Tierschutzorganisationen.
2 Wir konzentrieren uns bei der Kritik auf die offiziell und veröffentlichten Standpunkte der Parteien. Diese reichen als Bewertungsgrundlage vollkommen aus.