Gewerkschaft NGG begrüßt Gesetzentwurf für Regulierung der Fleischindustrie
Von Bernd Müller
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) zeigt sich begeistert: Der Entwurf des neuen Arbeitsschutzgesetzes für die Fleischindustrie sei ein »Meilenstein«, erklärte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler, am Mittwoch. Mit dem Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit setze es endlich beim Grundproblem an.
Strenge Regeln seien in der Fleischbranche notwendig, so Zeitler. Alle bisherigen Versuche, die Rechte der Beschäftigten zu sichern, seien in der Vergangenheit gescheitert. Die Versuche der Politik zu einer Selbstverpflichtung der Fleischindustrie hätten das klar gezeigt. Aber auch ein entsprechendes Gesetz, das 2017 verabschiedet wurde, sei in der Vergangenheit von den Unternehmen unterlaufen worden. Es sei bemerkenswert und symptomatisch, wenn für eine Branche ein separates Schutzgesetz gemacht werden müsse, so Zeitler weiter.
Ab kommendem Jahr dürfen nur noch Betriebsangehörige das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch besorgen – so das geplante Gesetz. Werkverträge sollen ab dem 1. Januar und Leiharbeit ab dem 1. April 2021 verboten sein. Ausgenommen davon sind Betriebe mit bis zu 49 Beschäftigten. Darüber hinaus soll das Gesetz auch für eine bessere Unterbringung der Arbeiter sorgen, für eine elektronische Arbeitszeiterfassung, und es schreibt eine Mindestquote für Arbeitsschutzkontrollen vor.
Die Unternehmen und Verbände der Branche sind über den Gesetzentwurf alles andere als erfreut. Am Wochenende hatten ihre Vertreter noch versucht, dem zuständigen Minister Hubertus Heil (SPD) mit einem eigenen Vorschlag den Wind aus den Segeln zu nehmen: Am Wochenende hatten sie signalisiert, die Arbeitsbedingungen in der Branche künftig gemeinsam mit der NGG in einem Tarifvertrag zu regeln. »Wir wollen eine Lösung und streben zeitnahe Gespräche mit der Gewerkschaft NGG an«, hatte der Vorsitzende des sozialpolitischen Ausschusses der Fleischwirtschaft, Theo Egbers, der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ, Sonnabendausgabe) gesagt. In dem Vertrag sollen demnach Fragen wie Mindestlohn, Wohnunterbringung sowie der mögliche Einsatz von Leiharbeitern geklärt werden.
Heil hatte allerdings erwidert, er sehe in diesem Vorhaben nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver. Er werde sich nicht davon abbringen lassen, Werkverträge und Leiharbeit in der Branche gesetzlich verbieten zu lassen, sagte er der NOZ (Dienstagausgabe). Zwar begrüße er, dass die Branche »endlich Tarifverträge abschließen möchte und ihre Mitarbeiter anständig bezahlen will«. Aber das sei kein Ersatz für eine klare Gesetzesregelung.
Falsch liegt der Minister mit seiner Beurteilung nicht. Bislang lehnt die Fleischindustrie den Gesetzesentwurf ab. In seiner jetzigen Form würde er die Branche benachteiligen, behauptete Egbers. Unterstützung erfährt der Lobbyist durch Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Geflügelwirtschaft. Dieser sagte der NOZ, man wolle den Wandel in der Branche per Tarifvertrag gestalten. Die Sozialpartner seien näher an der Sache als der Gesetzgeber und könnten flexibel reagieren.
Die NGG zeigte sich grundsätzlich gesprächsbereit, wies aber ebenfalls darauf hin, dass ein Tarifvertrag kein Ersatz für das geplante Gesetz sei. Auch die SPD begrüßte das Ansinnen der Branche. Die Gesprächsbereitschaft der Fleischindustrie sei eine »bemerkenswerte Wende«. Katja Mast, stellvertretende Chefin der SPD-Bundestagsfraktion sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: »Der Druck aus Gesellschaft und Politik zeigt erneut Wirkung«.
Vorausgegangen waren Infektionen unter Werkvertragsarbeitern, die das öffentliche Interesse wieder einmal auf die Arbeitsbedingungen in der Branche lenkten. Im Juli hatte der Bundestag darüber debattiert. Dabei machten die Abgeordneten Susanne Ferschl und Klaus Ernst (beide Die Linke) deutlich: Schon sieben Jahre zuvor habe man das Thema behandelt – ohne dass sich irgendetwas ernsthaft geändert hätte.
In seiner Amtszeit als Bundeswirtschaftsminister hatte auch Sigmar Gabriel (SPD) das System der Ausbeutung in der Fleischindustrie als »Schande für Deutschland« bezeichnet. Das war 2015, und Gabriel setzte damals nicht auf staatliche Regulierung, sondern auf eine freiwillige Selbstverpflichtung. Das Ziel war: Alle Werkvertragsarbeiter sollten fortan nach deutschen Arbeits- und Sozialgesetzen beschäftigt sein und die Zahl der Verträge reduziert werden. Die Initiative blieb weitgehend ohne Folgen. Noch 2018 beschäftigte beispielsweise der Tönnies-Konzern nach eigenen Angaben noch die Hälfte aller Beschäftigten über Werkverträge.