Planet der Klassen

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/378175.film-planet-der-klassen.html

Michael Moore und Jeff Gibbs vermitteln mit ihrem Dokumentarfilm »Planet of the Humans« Ansätze einer reaktionären Lesart der ökologischen Krise

Von Christian Stache

Eine pointierte Auseinandersetzung mit liberalen Akteuren der Umweltbewegung wäre eigentlich zwingend geboten, denn deren Analysen setzen nicht an der Wurzel des Umweltproblems an: Ihre Politik führt lediglich zu einer ökologischen »Modernisierung« des Kapitalismus, ihre Bündnispolitik nur zur politischen Vereinnahmung subalterner, oppositioneller Gruppen. Vor allem aber: Umwelt-NGOs haben durch ihre Zusammenarbeit mit Kapitalfraktionen und dem politischen Establishment und den Einsatz von grünen Technologien die sozialökologische Krise in den letzten Jahrzehnten nicht aufgehalten.

Hätten Jeff Gibbs (Regisseur und Autor), Ozzie Zehner (Produzent und Protagonist) und Michael Moore (leitender Produzent) ihren Mitte April via Youtube kostenlos veröffentlichten Dokumentarfilm »Planet of the Humans« (Planet der Menschen) auf die Kritik dieser Strategie begrenzt und substantielle Belege geliefert – man hätte sie hier gegen Vorwürfe gekränkter Profiaktivisten, Philanthropen und Lobbyisten grüner Produktivkraftentwicklung verteidigen müssen. Gibbs, Zehner und Moore begnügen sich aber nicht damit.

Das Dreigestirn greift beispielsweise reale soziale, technische und ökologische Probleme bei der Herstellung und Nutzung grüner Technologien auf. Es verzichtet aber auf überprüfbare und aktuelle Daten zu deren Klima- und Ökobilanzen oder auf einen Bilanzvergleich mit ihren fossilen Pendants. Zudem vermengt das Trio potentiell »grüne« Produktivkräfte wie die Photovoltaik mit solchen, die bekanntermaßen nicht nachhaltig sind, etwa dem Elektroauto oder der aktuellen Energieproduktion mit Biomasse, und mit Großprojekten, zu deren Errichtung und Betrieb Energie aus Kohle-, Gas- und Ölverbrennung nötig ist. Die Moral von der Geschichte lautet dann: »Es wäre besser gewesen, gleich die fossilen Energieträger zu verbrennen.« Produktiv- und Destruktivkräfte – alles eine Sauce.

Ähnlich krude funktioniert im Film auch die Auseinandersetzung mit der US-Umweltbewegung, ihren »Anführern« und ihrem Umgang mit Konzernen, Großspendern und Politikern. Tatsächlich werden deren Repräsentanten so eingeführt, dass man sie kaum voneinander unterscheiden kann. Albert Arnold »Al« Gore (1993-2001 US-Vizepräsident unter Bill Clinton) ist zweifellos ein geeignetes Beispiel für einen Vertreter der Kapitalfraktionen und den Teil der herrschenden Politik, die ökologische Modernisierung wollen. Aber ist er wegen seines »Ökoengagements« auch ein Umweltaktivist oder gar ein »Leader« der Umweltbewegung?

Für Gibbs, Zehner und Moore scheint ohnehin »die Umweltbewegung« identisch zu sein mit den großen liberalen Umweltschutzverbänden und Öko-NGOs. Das erleichtert zwar die dramaturgische Zuspitzung. Aber eine kritische Bestandsaufnahme »der« ökologischen Bewegung sieht anders aus. Um eine Analogie zu bemühen: Die Arbeiterbewegung ist nicht gleichbedeutend mit den sozialdemokratisierten Gewerkschaftsapparaten in den Metropolen. Es ist schlicht falsch, etwa radikaldemokratische oder sozialistische Kräfte in sozialen Bewegungen und ihre Positionen zu unterschlagen. Das gilt insbesondere, wenn man, wie die Filmemacher, allen Ernstes auf dünner sachlicher Grundlage und mit Verweis aufs »Greenwashing« und auf »grüne« Investitionen von Banken und Konzerne schlussfolgert: »Die Verschmelzung von Umweltschutz und Kapitalismus ist abgeschlossen.«

Man könnte das alles noch als Polemik abtun, die übers Ziel hinausschießt, vermittelte der Film nicht zusätzlich Ansätze einer reaktionären Lesart der ökologischen Krise. Ja, die drei Protagonisten kritisieren auch den Kapitalismus. Aber ihre oberflächliche Wachstumskritik, die sie im übrigen mit vielen linken Liberalen teilen, geht mit einer Diagnose einher, die der Regisseur Gibbs zunächst »alle Experten, die ich getroffen habe«, in die Kamera sagen lässt: »Es gibt zu viele Menschen, die zuviel zu schnell verbrauchen«, heißt es da. Oder: »Spezies treffen auf eine Populationsgrenze, und dann brechen sie zusammen. Das ist eine normale Angelegenheit in der Biologie. Wenn uns das widerfahren sollte, ist es auf eine Art der natürliche Lauf der Dinge.« Am Ende des Films konstatiert dann Gibbs persönlich: »Wir« zerstörten die Erde.

Mit anderen Worten: Bevölkerungspolitik und Konsumverzicht statt »grüner« Technik und Comanagement der Umwelt? Auf einem Planeten der Klassen ist das keine Alternative.