Deutsche Befindlichkeiten

Quelle: https://www.jungewelt.de/2017/02-10/103.php

Wie eine vorgebliche Antisemitismusbekämpfung zur ideologischen Farce gerät

Von Moshe Zuckermann

Irgendwann in der ersten Hälfte des vorigen Jahrzehnts widerfuhr mir in Deutschland etwas, das ich im nachhinein als eine Art Zeitenwende begreife. Am Ende einer von einer renommierten deutschen Stiftung veranstalteten Konferenz, zu der ich eingeladen worden war, meldete sich ein Stiftungsstipendiat zur Wort und beschied mir (ich habe den Wortlaut noch im Ohr), dass »wir schon seit einiger Zeit vorhaben, Sie in Deutschland zu erledigen, und es freut uns zu sehen, dass es uns auch gelingt«. Der harsche Ton des jungen Mannes zeugte von einer Aggression, die mich in jenem Moment überraschte, da ich sie nicht einzuordnen verstand. Zwar hatte ich mich in meinem gerade vorgetragenen Referat mit einem Thema befasst, das auch eine gewisse Kritik an Israel zum Inhalt hatte, aber die Reaktion darauf und die mit ihr einhergehende Drohung überschritt die legitime Grenze gängiger akademischer Debatten. Verstörend wirkte auf mich auch der Beifall für die ausformulierte Aggression des Studenten bei einem Teil des Publikums. Es gab da offenbar in der Tat ein »Wir«, das mich zum Feind erkoren und sich gegen mich organisiert hatte.

Es sollte sich herausstellen, dass dieses »Wir« sich »antideutsche Kommunisten« nannte. Zwar hatten sie, das konnte man bald genug feststellen, mit Kommunismus nicht sehr viel im Sinn, dafür beteiligten sie sich umso emphatischer an vehementen, teilungsfreudigen Richtungskämpfen. »Antiimps« (Antiimperialisten) nannte sich das eine Lager, »Antifa« (Antifaschisten) das andere. Beide Lager hätten sich auf Weltanschauungsmomente des sowjetischen Kommunismus berufen können – auf den »antifaschistischen Krieg« der Sowjets gegen die Nazis zum einen, auf den »Imperialismus als höchstes Stadium der Kapitalismus« zum anderen –, aber darum ging es letztlich nur vordergründig. Denn nicht nur mit dem Kommunismus hatte diese Bewegung nicht sehr viel zu schaffen, auch ihr Anspruch, »antideutsch« zu sein, erwies sich als hohles Gerede: Da ihnen ihre historische Identifikationsmatrix infolge des Zusammenbruchs des Sowjetkommunismus abhanden gekommen war, fand der Antifazweig der ehemals »antideutschen Kommunisten« seine neue Identität in einem nebulösen Antideutschtum, das sich darin manifestierte, dass man sich mit »Juden« vorbehaltlos zu solidarisieren habe, weil Deutschland Schlimmstes an ihnen verbrochen hatte. Von selbst versteht sich, dass eine solche Motivationslogik gerade im Versuch, sich der historischen Schuld zu entschlagen, durch und durch deutsch war. Wenn Hitler, Adorno zufolge, den Menschen einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen hatte, so war dies im Fall der Nachfolgegenerationen des Naziregimes nur deutsch zu denken. Nicht nur also keine Kommunisten, sondern auch keinesfalls antideutsch, sondern deutsch, wie man es als Generation der Täterenkel eben nur sein kann.

Mit den »Juden« solidarisierte man sich freilich abstrakt. Das hat eine lange Tradition, denn sowohl der Antisemit als auch der Philosemit haben es zumeist nicht mit dem konkreten, ­real existierenden Juden zu tun; der könnte sich ja im Negativen wie im Positiven als weniger ideal erweisen, als es das beiden gemeinsame Ressentiment will. Der Jude wird abstrahiert, damit man unbeschadet auf ihn negativ wie positiv projizieren kann – je ferner man ihn vom eigenen Sicht- und Erfahrungsfeld weiß, desto besser. Hierfür kam nun der im fernen Nahen Osten bestehende Nationalstaat der Juden besonders zupass. Denn nicht nur konnte man nun die »Juden« noch effektiver entkonkretisieren, sondern man durfte sie sich nun als ein abstraktes politisches Kollektivsubjekt denken, das Subjekt des zionistischen Staates Israel. Und als solches Subjekt wurden sie pauschal als Überlebende des Holocaust und ihr Staat entsprechend als eine geheiligte Zufluchtsstätte apostrophiert. Die Juden also in »Israel« wissend, blieb nur noch eins zu verrichten: den »Antisemitismus« im eigenen Land zu bekämpfen, und zwar rücksichtslos.

Unverbrüchliche Israel-Solidarität

Wo soll man anfangen, um die für den gegenwärtigen Antisemitismus-Diskurs in Deutschland charakteristischen Verzerrungen zu entzerren? Die dafür notwendigen begrifflichen Voraussetzungen enthalten bereits die Koordinaten dessen, was im besten Fall ein Missverständnis ist, im Grunde aber auf eine interessengeleitete Manipulation hinausläuft: Judentum, Zionismus und Israel werden in eins gesetzt, damit Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik als eine einheitliche Kategorie behandelt werden können. Mehrere Gründe gibt es für dieses Zerrbild. Zum einen will es das zionistische Israel so – es wähnt sich als Heimatland aller Juden, begreift mithin die außerhalb Israels lebenden Juden (immerhin die Hälfte des jüdischen Volkes) als diasporische bzw. Exiljuden. Zum anderen wollen es Nichtjuden oft so – das erleichtert ihnen den Umgang mit »Juden«, die sie, wie gesagt, als Kategorie abstrahieren, sei es, weil ihnen die Differenzierungen innerhalb der Judenheit zu lästig sind, sei es, weil sie die Juden ohnehin am liebsten in »ihrem Land« (Israel) wissen wollen. In Deutschland gibt es zudem die Verbandelung von nichtjüdischen Israel-Freunden (von denen die ehemals sogenannten »Antideutschen« die lautstärkste Gruppe bilden), jüdischen Amtsträgern und Mitgliedern jüdischer Gemeinden mit der staatsoffiziellen deutschen Israel-Politik und einer sich in bezug auf »Juden–Zionismus–Israel« selbstzensierenden Medienwelt. So randständig die »Antideutschen« zumindest zahlenmäßig sein mögen, so dürfen sie sich dem Kontext nach dem vorherrschenden Antisemitismus-Diskurs zurechnen. Die Matrix dieser Konstellation besteht in einer unverbrüchlichen Israel-Solidarität – bei vielen in Deutschland lebenden Juden aus Schuldgefühl darüber, dass sie nicht in Israel leben (mithin dem pejorativen Bild des diasporischen Juden in den Augen vieler Israelis entsprechen); bei den Israel-solidarischen Deutschen aus dem Schuldgefühl darüber, was Deutsche im 20. Jahrhundert an Juden verbrochen haben, und dem Bestreben, das Verbrochene »wiedergutzumachen«.

Was dabei sorgsam außer acht gelassen wird, sind grundlegende geschichtliche, kulturelle und strukturelle Verhältnisse. Zunächst und vor allem: Nicht alle Juden sind Zionisten, nicht alle Zionisten sind Israelis, und nicht alle Israelis sind Juden. Wer dies nicht begreift, liegt bei aller weiteren Erörterung des hier anvisierten Problems bereits auf einer schiefen Bahn. Es gibt nicht- und sogar antizionistische Juden, die sich ihr Judentum nicht vom Zionismus, geschweige denn vom zionistischen Staat vorschreiben lassen. Da wären an allererster Stelle die Hauptströmungen im orthodoxen Judentum aufzuzählen. Es gibt viele Israelis, die ihrem Land gegenüber, ob seiner staatsoffiziellen Politik und deren Auswirkungen, die sie in jeglicher Hinsicht für katastrophenträchtig erachten, kritisch eingestellt sind; auch sie wollen sich ihren Zionismus weder vom Staat noch von seinen Anhängern im Ausland in Frage stellen lassen. Es gibt zionistische Israelis, die mit der jüdischen Religion, erst recht aber mit ihren verdinglichten Manifestationen nichts am Hut haben. Es gibt religiöse Israelis, die ihren Glauben nicht für fremdbestimmte politische Zwecke instrumentalisiert sehen möchten. Es gibt gewöhnliche israelische Bürger, die beim Denken an mancherlei Praktiken ihres Landes und an den massiven Zuspruch, dessen sich diese Praktiken erfreuen, um den Schlaf gebracht sind. Weitere Einstellungs- und Gesinnungskategorien ließen sich in diesem Zusammenhang anführen. Davon soll hier aus Raumgründen abgesehen werden.

Es geht aber um mehr. Denn paradoxerweise war der Zionismus immer schon am Fortbestand des Antisemitismus in der Welt interessiert. Da er sich historisch als Reaktion auf den europäischen Antisemitismus gebildet hatte, war er dialektisch immer schon mit dem Antisemitismus zweckgerichtet verschwistert: Je dreckiger es den Juden in der Welt ging, desto günstiger war dies für die Erfüllung eines zentralen Postulats des Zionismus – der Auswanderung der Juden aus ihren Ländern in das zionistische Israel. Das zionistische Israel hat den Antisemitismus nie bekämpft, sondern ganz im Gegenteil ideologisch stets herbeigewünscht – es gibt nichts Schlimmeres für den Zionismus als Juden, die sich außerhalb Israels in ihren Ländern wohlfühlen. Solche Juden pflegte die israelische Ideologie stets als »diasporisch« zu schmähen. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass es dem klassischen Zionismus nie um den Juden qua Juden ging, sondern stets um den »neuen Juden«, mithin um die Rechtfertigung des Zionismus als historische Antithese zu der als »diasporisch« abgewiesenen Judenheit. Juden, die sich als Nichtzionisten sahen, etwa Kommunisten aus internationalistischer Gesinnung, (ultra)orthodoxe Juden aus theologischen Beweggründen oder schlicht Juden, die sich in ihren eigenen Ländern wohl fühlten, waren dem Zionismus fremd, und oft genug begegnete man ihnen mit ideologischem Ressentiment und arrogantem Überlegenheitsgefühl.

Brutales Okkupationsregime

Aber es gibt noch einen weiteren Wirkungszusammenhang zwischen dem zionistischen Israel und dem Antisemitismus, der hier besonders hervorgehoben werden muss: Denn ungeachtet der Tatsache, dass ein genuiner Antisemitismus in der Welt grassiert, den es zu bekämpfen gilt (er gehört in den Bereich anderer menschenverachtender Ideologien wie Rassismus, Fremdenhass und spezifisch die Islamophobie, die es allesamt zu bekämpfen gilt), kann nicht ignoriert werden, dass Israel seit bald fünfzig Jahren ein brutales Okkupationsregime betreibt, das weltweit (zuletzt im UN-Sicherheitsrat) Empörung auslöst und verurteilt wird. Es handelt sich um eine völkerrechtswidrige Praxis, mit der sich Israel vor allem an der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland vergeht, eine Praxis, die inzwischen nicht nur vom Gros der israelischen Bevölkerung goutiert bzw. stillschweigend hingenommen wird, sondern auch von Israels Legislative und der gerade in dieser Hinsicht höchst aktiven Exekutive offiziell abgesegnet und mit Emphase forciert wird. Israel hat sich dabei in eine historische Sackgasse hineinmanövriert. Es steht vor der Wahl zwischen der (nicht gewollten) Zwei-Staaten-Lösung, deren Verwirklichung in einen innerjüdischen Bürgerkrieg münden könnte, und der sogenannten binationalen Lösung, die aber als Apartheid-Struktur vollzogen würde. Dass beide Lösungen das Ende des historischen zionistischen Projekts bedeuten könnten, mag, ja muss einen um sein Land besorgten Israeli in die Kritik, womöglich auch in die politische Agitation treiben. Wenn die Absegnung des bestehenden Zustands mit messianisch-irrationalen religiösen »Argumenten«, auf gottverheißenes Land kategorisch nicht verzichten zu dürfen, fundiert wird, dann unterminiert das die Grundlage einer jeglichen kompromissbereit und friedlich ausgerichteten Lösung des blutigen Konflikts. Der palästinensische Terror ist eine Reaktion auf diese schier ausweglose Situation. Die Radikalisierung der Kritik an einem Israel, das zionistisch seine eigene Raison d’être unterwandert und zerstört, ist da gerade auf israelisch-jüdischer bzw. auf der auf Frieden orientierten israelisch-palästinensischen Seite zwangsläufig. Es geht dabei um die Herstellung humaner Lebensperspektiven, ja um nicht weniger als die schiere Möglichkeit, überhaupt menschenwürdig weiterexistieren zu können.

Wer das nicht begreift, hat nicht begriffen, was auf der Waagschale liegt. Wer das nicht begreift, muss sich vorwerfen lassen, seinen Blick von der realen Tragödie des jüdisch-israelischen und palästinensischen Volkes bewusst oder nicht bewusst abgewendet und einen bornierten, ressentimentgeladenen, gewaltdurchwirkten Chauvinismus begünstigt zu haben. Darum – um nichts anderes – geht es der genuinen Israelkritik.

Perfidie der Täterenkel

Und da begegnet man nun im deutschen Diskursfeld der nicht nur von Juden, sondern auch von nichtjüdischen Deutschen gemachten Unterstellung, diese Sorge um den Staat Israel und seine Gesellschaft – mithin das gegen alle Widerstände hochgehaltene Streben nach der Lösung des Konflikts zwischen Juden und Palästinensern und ihrer Versöhnung – sei das Werk »jüdischer Antisemiten« bzw. »sich selbst hassender Juden«. Man muss sich schon einem Neusprech orwellscher Couleur verschrieben haben, um mit solcher Perfidie aufzuwarten. Hermann Göring wird der Spruch zugeschrieben, »Wer Jude ist, bestimme ich«. Ähnlichen strukturellen Geistes ist der Anspruch der Protagonisten besagter deutscher Konstellation, zu bestimmen, wer Antisemit sei. Den wohl perfidesten Auswuchs dieser ideologischen Konstellation bildet dabei die Erscheinung deutscher Enkel der Tätergeneration, die den Kindern von Shoah-Überlebenden meinen vorwerfen zu können, sie seien jüdische Antisemiten bzw. von Selbsthass angefressene Juden – nicht weniger. Dass in Deutschland lebende Juden sich mit dieser Perversion anschauungsmäßig eins wissen, bezeugt nur, zu welcher Erbärmlichkeit ihre eigene Stellung im deutschen Diskurs mittlerweile verkommen ist. Dass sie sich nicht entblöden, kritische jüdische Intellektuelle schmähend zu verfolgen, um eine vermeintliche »Israel-Solidarität« zu wahren, ist ein beredtes Zeugnis ihres eigenen neurotischen Zustands als in Deutschland lebende Juden. Dass sich deutsche Behörden und Funktionsträger von ihnen einreden lassen, wer und was »antisemitisch« sei, macht darüber hinaus evident, zu welch bedenklicher Neuralgie der offizielle Umgang mit Juden im heutigen Deutschland inzwischen geronnen ist. Und das wahrhaft Zynische dabei: mit vorgeblicher Antisemitismusbekämpfung hat dies alles rein gar nichts zu tun. Wenn es Raumverbot für die Veranstaltungen friedensbestrebter deutscher, israelischer und palästinensischer Aktivisten in Deutschland ist, womit die deutsche Antisemitismusbekämpfung aufzuwarten vermag, können sich Deutschlands Antisemiten in Sicherheit wiegen. Wenn die giftig-polemische Hetze in den sozialen Medien gegen Israel-kritische Intellektuelle und Kulturschaffende als Norm für eine vermeintliche »Verteidigung Israels« gegen den »Antisemitismus« gilt, ist es übelst um die Kapazitäten der kritischen Intelligenz Deutschlands bestellt. Wenn in Deutschland lebende jüdische Personen dies nicht nur absegnen, sondern ihrerseits aktiv fördern, können sie gewiss sein, nichts für Israel getan zu haben, dafür umso mehr für die strukturelle Entstellung des wahren Kampfes gegen den Antisemitismus. Nicht ausgeschlossen, dass gerade ihre Anmaßung antisemitische Ressentiments anfacht – so wie Israels Politik und deren menschenverachtenden Auswirkungen in den okkupierten palästinensischen Gebieten es weltweit tun.

Wie ist es aber überhaupt dazu gekommen? Warum versagt der öffentliche deutsche Diskurs dermaßen im hier erörterten Zusammenhang, warum verrät er in solch eklatanter Weise seinen eigenen kritischen Anspruch? Viele Gründe mag es dafür geben. Zunächst scheint das Thema »Antisemitismus« eine ideologische Lücke für Linke auszufüllen, seit ihnen der soziale Kampf (von Klassenkampf mag hier ganz und gar geschwiegen werden) durch den Zusammenbruch dessen, was sie für die sozialistische Option weltgeschichtlich erachtet hatten, durch den Zusammenbruch des Sowjetkommunismus, abhanden gekommen ist. Und da der Zivilisationsbruch von Auschwitz in der Tat einen Gegenstand bildete, zu dessen Ergründung der klassische Marxismus ohnehin kein Instrumentarium bot, durfte man sich relevant vorkommen, indem man ihn zur neuen Matrix des »politischen Kampfs« erkor. Dass dieses »Thema« alsbald fetischisiert und verdinglicht wurde, mithin zu dem verkam, was die Erbärmlichkeit des heutigen Antisemitismusdiskurses in Deutschland ausmacht, hängt damit zusammen, dass man es zur fremdbestimmten Identifikationsgrundlage in eigener Sache verkommen ließ. Das ist insofern nachvollziehbar, als es eine nicht zu unterschätzende Entlastung bietet – von der Geschichtsbürde für Deutsche und von der nie überwundenen Ambivalenz bei Juden, die sich ein Leben gerade im Täterland gewählt haben, sich dabei aber »israelisch« vorkommen und geben dürfen. Dass dabei »Israel« zum Faktor der Gesinnungsorientierung geronnen ist, hatte schon zu Zeiten des Kalten Krieges seine geopolitische Bewandtnis, fungiert aber heute deutlich als Kriterium für die Ausrichtung auf den neuen Zeitgeist, namentlich im Ausleben des islamophoben Ressentiments, einem genuinen Verwandten des Antisemitismus, im Kontext des ideologisch durchwirkten Postulats eines »Clash of Civilizations«. Dazu passt die Mutation von ehemals »antideutschen Kommunisten« zu kapitalismusfreudigen USA-Anhängern mit Bezug zu neokonservativen Ideologemen nur zu gut. »Israel« (= Zionismus = Juden) ist ihr Schibboleth.

Die eingangs erwähnte Anekdote mag zum Abschluss eine andere aus derselben Zeit ergänzen. Als ich bei einem Gespräch einen renommierten Ideologen des »antideutschen« Diskurses auf einen eklatanten Sachfehler in bezug auf Israel aufmerksam machte, beschied er mir – in erstaunlicher Offenheit, wie ich gestehen muss –, dass ihn Israel gar nicht interessiere; einzig Deutschland interessiere ihn. Und was Deutschland anbelange, so ergänzte sein bei dem Gespräch anwesender Kollege, so bedürfe es lediglich eines »Zeichens von oben«, damit der Antisemitismus freigelassen und der nächsten radikalen Judenverfolgung in Deutschland der Weg bereitet werde. Die Antwort auf meine Frage, warum sie dann nicht daran arbeiten, dass die Juden schleunigst aus Deutschland wegkämen, wenn ihnen eine solche Gefahr drohe, blieb man mir schuldig. Aber etwas von dem, was sie möglicherweise im Sinn hatten, artikulierte jener Stiftungsstipendiat, der mir mit ähnlicher Unbekümmertheit offenbarte, worum es ihm letztlich ging.