Interview mit Steve Best

[singlepic id=80 w=100 h=75 float=left]Steve Best kam im September 2010 für einen Vortrag nach Zürich. Wir haben dies zum Anlass genommen, dem Philosophieprofessor, Autor und Aktivist ein paar allgemeine und aktuelle Fragen aus dem Spektrum der Tierbefreiungsbewegung zu stellen. Seine Antworten bestätigen, was man über den Kritiker pazifistischer Dogmas und Lifestyle-Veganismus schon wusste: Er nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt, wie er die Dinge sieht.

Was bedeutet Tierbefreiung für dich?

Tierbefreiung ist ein moralisches Ideal und heisst, dass Tiere in keiner Form der Gefangenschaft gehalten werden dürfen, egal, ob es um Zootiere, Labortiere oder Haustiere geht. Tierbefreiung heisst, dass sich das menschliche Denken, die menschlichen Gesetze und die menschliche Wirtschaft ändern wird, so dass Tierbefreiung nicht länger notwendig sein wird. Dies setzt eine revolutionäre Änderung im menschlichen Denken und der Gesetzgebung voraus. Es kann aber sein, dass es niemals soweit kommen wird, dass Tierbefreiung ein globales Ideal wird. Manche sagen, dass es eine elitäre Haltung sei und dass es immer irgendwo Kulturen geben wird, die sich auf Tierausbeutung stützen werden. Es ist jedoch ein Ideal, welches es zu universalisieren gilt und welches jegliche Form der Unterjochung beenden soll.

Was braucht es für Strategien um Tierbefreiung zu erreichen?

Ich empfehle sämtliche Taktiken, die Erfolg zeigen. Diese beinhaltet Aktionen, Bildung und  Gesetzgebung, welches aber ein heikles Thema ist, da das Justizsystem ein kafkaesker Alptraum ist. Gesetze werden nicht durchgesetzt oder Entscheide hinausgezögert.

Sabotageakte sind sicherlich sehr effektiv. Der pazifistische Teil der Bewegung sagt, dass Sabotage nie funktioniert, was aber eine grosse Lüge ist. Sabotage funktioniert nicht immer gut, aber sie funktioniert! Es gibt einen berühmten Fall in England, wo AktivistInnen behaupteten, dass tausende von Produkten vergiftet wurden. Es mussten dann alles aus dem Sortiment genommen werden, was die betroffene Firma viel Geld gekostet hat.

Wenn wir über Tierbefreiung sprechen sage ich immer, dass wir uns in einem Krieg befinden. Ein systematischer, brutaler, genozidähnlicher Krieg gegen die Tiere. Es wäre speziesistisch wenn wir irgendeine Aktionsmöglichkeit nicht diskutieren oder in betracht ziehen würden. Wir würden schliesslich auch alles tun, um zu verhindern, dass Menschen andere Menschen angreifen. Wenn wir beispielsweise vom 2. Weltkrieg reden, hat niemand ein Argument gegen die Zerstörung von Gaskammern oder die Ermordung von Nazi-Wachmännern. Wir sollten immer den Konsequenz-Test machen und uns fragen, um herauszufinden, ob es in unserer Bewegung Speziesismus gibt, ob eine bestimmte Praxis bei Menschen legitim wäre.

Schauen wir nur die ganze humane Fleischproduktion an. Es gibt Leute, die sagen, dass dies eine gute Sache ist, da dann ja weniger Tiere leiden. Dies ist aber falsch, da die Menschen dann tatsächlich mehr Fleisch konsumieren. Würden wir sagen, dass humane Pädophilie oder humane Vergewaltigungen in Ordnung sind? Nein, warum soll es dann für Tiere gerechtfertigt sein? Dies ist inkonsequent und falsch. Genauso verhält es sich auch mit Taktiken. Würden wir Gewalt anwenden, um einen Menschen zu retten? In manchen Fällen selbstverständlich schon, also warum nicht manchmal auch, um ein Tier zu retten? Wenn wir Zweifel haben, ob eine Taktik richtig ist oder nicht, dann sollten wir den Konsequenz-Test anwenden.

Es gibt hier zwei Ideen, die ich kurz hervorheben will. Auf der einen Seite steht die Frage, was ethisch akzeptabel ist und auf der anderen Seite, was in der Praktik intelligent ist um zu tun. Es gibt viele gute Argumente für gewalttätige Aktionsformen in der Bewegung, aber praktisch könnte dieser Weg desaströs sein. Wenn jemand einen Tierausbeuter physisch angreifen würde, könnte es sein, dass dieser damit aufhören wird, z.B. Experimente mit Tieren zu machen. Andererseits könnte die Polizei die Bewegung richtiggehend zerstören oder es könnte eine massive öffentliche Reaktion hervorrufen. Es könnte also ethisch vertretbar sein, aber praktisch nicht sehr schlau!

Welchen Platz muss die Theorie(arbeit) in der Tierbefreiungsbewegung haben?

Wenn es um das Pro-Tier-Denken geht werden wir vermutlich noch viele Überraschungen finden, die nicht sehr förderlich sind. Ich glaube aber, dass wir mittlerweile eine gute Sicht auf die Geschichte der Tierrechte haben. Ich habe z.B. neulich gelesen, dass Rosa Luxemburg eine sehr unübliche Person in der Linken war, da sie das Leiden der Tiere ernst genommen hat. Dies sind wichtige historische Fakten, die wir kennen sollten. Solche Sachen sind wichtig für uns, um mit der Linken kommunizieren zu können. So ist es z.B. auch wichtig zu wissen, dass der erste Philosoph, Pythagoras, das war, was man heute einen veganen Tierrechtler nennen würde. Die Geschichtsarbeit ist also wichtig und dauert nun auch schon eine Weile an. Die feministische Bewegung hat ebenfalls viele gute Inputs geliefert. Und dies ist ein andauernder wichtiger Forschungsbereich. Es gibt auch eine ganze Menge Arbeiten, die sich auf linke Theorien konzentrieren, auf Marxismus, Anarchismus bis hin zur kritischen Theorie der Frankfurter Schule, sogar zu den postmodernen Theorien. Dies scheint vielversprechend zu sein.

Zum Schluss möchte ich noch einen Forschungsbereich vorstellen, den ich zu etablieren versuche. Er nennt sich der Tier-Standpunkt („the animal standpoint“). Er reflektiert die Geschichte unserer Beziehung zu Tieren und die daraus resultierenden Effekte auf die systematische Ausbeutung der Tiere. Einige Beispiele dieses Feldes werden in den Bücher „Beyond Beef“ von Jeremy Rifkin oder „An unnatural order“ von Jim Mason aufgezeigt. Feministinnen z.B. analysieren die Geschichte mit dem Hintergrund der Beziehung zwischen Männern und Frauen, was sich als sehr produktiv herausgestellt hat. Der „Tier-Standpunkt“ versucht dasselbe mit dem Hintergrund der Mensch-Tier Beziehung.

Was ist für dich Veganismus? Ein Boykott oder wo liegt die Logik dahinter?

Es ist kein Boykott. Es geht um Ökologie. Es ist ein sozio-politisches Thema und natürlich ist es die systemische Ethik der Gewaltlosigkeit. Was diese Bewegung zu offerieren hat, dass unersetzlich ist, ist die systemische Ethik der Gewaltlosigkeit. Keine andere Bewegung hat eine gewaltlose Ethik. Auch die Linke hat sie nicht, weil dort offensichtlich Speziesismus existiert. Nur die vegane Bewegung hat die gewaltlose Ethik, welche für die Zukunft der Menschheit entscheidend ist. Man muss sich die Gründung der veganen Philosophie in den 1940er betrachten. Donald Watson brachte 1944 den Veganismus hervor. Dieser wurde in seinen Arbeiten als herrschaftslose Ethik entwickelt. Wenn man sich heute Leute wie Gary Francione anschaut, wird Veganismus bloss zu einer Ethik reduziert. So verliert man die ganze sozio-politische Dimension.
Veganismus steht also für die totale Befreiung.

Viele TierrechtlerInnen und Anhänger von Francione behaupten du bist spalterisch. Was sagst du dazu?

Das ist lustig… Ich hatte eine öffentliche Auseinandersetzung mit Francione, um die grossen Fehler seiner Arbeit aufzuzeigen. Es gibt keine Allianzpolitik mit anderen sozialen Bewegungen bei ihm usw. Es geht bloss um Lifestyle Veganismus. Ich wollte zeigen, dass es einen anderen Weg gibt, um Abolitionismus zu verstehen: einen politischen Veganismus! Es wurde mir klar, dass es in der Bewegung eine Wahl gibt: entweder man geht den Francione Weg oder den anderen, meinen Weg, wenn ich das so sagen darf. Was ich getan habe war notwendig, da er wie ein Papst da stand, es war so apolitisch, „passiv-istisch“ (Anm. d. Red.: in Anspielung auf pazifistisch), anti-aktivistisch. Ich weiss, dass aufgrund unserer Auseinandersetzung einige Leute begonnen haben sich mit der Idee von totaler Befreiung auseinander zu setzen. In diesem Sinn war diese Auseinandersetzung notwendig und ich habe versucht, sie so schnell wie möglich wieder zu beenden. Er hingegen macht mit den Attacken weiter, er beschuldigt mich, Todesdrohungen auszusprechen, in die ALF involviert zu sein usw. Für mich ist er, auch wenn er nicht zum Staat gehört, ein Unterstützer des Staates. Dies, weil er Menschen dazu überredet, im Internet über Veganismus zu bloggen und man sich dann AktivistIn nennen kann. Für Francione muss man nichts tun, ausser veganer Aufklärung, wobei das lächerliche dabei ist, dass es keine Bildung dazu braucht. Man braucht keine Theorie über Bildung und auch keine Praxis. Dies ist die höchste Ausdrucksform von elitärer Philosophie.

Diskutiert wird auch immer darüber, ob Widerstand gewaltfrei sein soll oder Gewalt beinhalten darf. Wie siehst du das?

Als erstes muss ich anmerken, dass man diese Diskussion fast nicht führen kann, da sie ein Tabu ist. Es ist beunruhigend, dass die PazifistInnen sagen, dass man ein Terrorist ist, genau wie der Staat das auch tut. Sie haben keine historische Perspektive. Gewalt war immer ein Teil von sozialen Bewegungen. Sie haben auch keine theoretische Perspektive über Gewalt oder, dass es Situationen gibt, in denen Gewalt vertretbar ist. Zu sagen, etwas ist immer falsch oder immer richtig, ist die Basis von Fundamentalismus und es gibt diesen theologischen Fundamentalismus in der pazifistischen Bewegung tatsächlich. Sie haben keine Analysen, keine Geschichte und keinen philosophischen oder politischen Hintergrund des Gewaltbegriffs. Ich finde, dass die Diskussion offen und informativ sein sollte und, dass wir erkennen sollten, dass Gewalt manchmal notwendig und oft legitim ist.

Du sprichst von totaler Befreiung. Wieso sieht die Linke nicht, dass Tier- und Naturbefreiung wesentlich zum Befreiungskampf dazugehören?

Linke können nicht mal die Verbindungen zwischen menschlichen Gerechtigkeitskämpfen sehen, geschweige denn zu ökologischen oder tierbefreierischen. Es hat über ein Jahrhundert gedauert bis sie die Wichtigkeit der Rassenfrage, der Geschlechterfrage und der Kulturfrage verstanden haben, dass Nationalismus etwas ist, das nicht einfach weg geht und plötzlich zu Internationalismus wird. Die Linke hat Ökologie erst 1970 verstanden, wie also können wir erwarten, dass sie die Frage nach dem Tier verstehen?

Wenn sie also so lange gebraucht haben, um nur schon den Klassenkampf und dessen Verbindung mit Sexismus und Rassismus zu verstehen, können wir von ihnen nicht erwarten, dass sie das Konzept der totalen Befreiung sehr schnell verstehen werden. Ökologie haben sie daher verstanden, weil es sich um ein anthropozentrisches Problem handelt: Wir brauchen die Natur, um überleben zu können. Man nennt dies „aufgeklärten Anthropozentrismus“.

Um zu verstehen, dass wir Tiere nicht bloss für unser eigenes Überleben brauchen, sondern einfach, dass sie für sich selbst leben können und dass wir unsere Ideen von Frieden, Demokratie, Gerechtigkeit und Rechten einen Quantensprung weiter bringen müssen, ist schon fast zu viel verlangt von einer Bewegung die in Dogmen versumpft ist. Wie auch immer, wir (die Tierbefreiungsbewegung) verlangen es und wir müssen diese Verbindungen für sie und mit ihnen verbessern. Man sieht einigen Fortschritt, die AnarchistInnen verstehen das, die ALF stellt Verbindungen her, auch wenn wir hier von unserer Seite sprechen. Es gibt zwei schuldige Parteien, dass die Linke Veganismus und Tierrechte nicht versteht: sie und uns. Sie haben die Tierrechtsrevolution und die Fortschritte in der kognitiven Ethologie komplett verpasst, da sie nicht darüber lesen. Es fühlt sich an wie bei Rip Van Winkle, als wären sie nach drei Jahrzehnten plötzlich aufgewacht. Wir sind allerdings auch schuldig, da wir uns nicht die Zeit genommen haben, um mit ihnen zu sprechen und nicht wissen wie man das effektiv tut. Wenn wir von totaler Befreiung sprechen, dann muss die Linke Veganismus und Tierrechte verstehen und die Tierrechtsbewegung muss linke Politik verstehen. Und wir müssen alle Ökologie auf eine tiefgründige Art verstehen, also nicht in einer „nachhaltigen Abholzung“-Art.

Wer kämpft braucht auch Erfolge. Wo siehst du diese und wie kommen wir zu ihnen?

Darum mag ich die pazifistische Ansicht, dass direkte Aktion nie funktioniert, in unserer Bewegung nicht. Nebenbei angemerkt: wenn ich von direkter Aktion spreche, meine ich eigentlich militante direkte Aktion, die das Verletzen von Gesetzen beinhaltet.

Wenn man sich die Geschichte der ALF anschaut, findet man hunderte, vielleicht auch tausende, von inspirierenden Beispielen von Befreiungen, die erfolgreich waren, speziell in den 80ern. Ein Beispiel ist Britches, der Affe, der mit zugenähten Augen in einer Isolationskammer eingesperrt war und permanent mit Lärm beschallt wurde, um zu sehen was der Effekt auf sein Gehirn sein würde. Die ALF hat ihn befreit, die Nähte an den Augen entfernt und ihn in eine Zufluchtsstätte gebracht. Oder die SHAC-Razzia bei der Regal Rabbits Farm in den 90ern in England, als sie gesagt haben, dass sie diesen Ort schliessen werden und die Hasen einen nach dem anderen retten werden, was auch im Film „Behind the Mask“ zu sehen ist. Der Besitzer ist geflohen und hat sofort aufgegeben (Anm. d. Red.: Tatsächlich war es nicht SHAC, sondern eine eigenständige Kampagne vor der Gründung von SHAC). Wenn man sich anschaut was die ALF und SHAC geleistet haben, dann findet man genug inspirierende Geschichten für Filme und Kinderbücher. Das waren jetzt nur zwei Beispiele.

Du bist ein Unterstützer der ALF. Übst du auch Kritik an ihr und ihrer Taktik?

Ja. Nicht alle ALF Aktionen funktionieren oder werden intelligent durchgeführt. Es ist bemerkenswert wie wenige AktivistInnen überhaupt gefasst wurden, wir sollten also keine Angst haben solche Dinge zu tun. Normalerweise werden Leute gefasst, wenn sie ihren Mund öffnen und zu viel sagen oder wenn ein Freund sie verrät. Wenn diese Aktionen gefilmt werden, sollten sie sich nicht wie Batman & Robin verhalten, das ist einfach lächerlich. Man sollte auch sehr vorsichtig sein wenn man Slogans an die Wand schreibt. Es ist z.B. viel sinnvoller etwas wie „Tiere haben Rechte“ oder „Alle Tiere sollten frei sein“ zu schreiben als „Tierexperimentatoren sind Arschlöcher“, weil die Öffentlichkeit diese Filme sieht und diese Slogans nicht die bestmögliche Message liefern. Es ist gut, dass wir in den USA und auch in anderen Ländern ein Pressebüro haben, welches diese Aktionen mit einem intelligenten Kommentar publiziert. Das ist wichtig. Hauptsächlich bin ich der ALF gegenüber allerdings äusserst positiv und unterstützend eingestellt, das sind bloss Kleinigkeiten. Es geht mir hier bloss um den Stil der Aktionen, aber ich denke, dass alle, die ihre persönliche Freiheit riskieren, um anderen zu helfen, zu den mutigsten Menschen gehören und dass die ALF einer der wichtigsten Teile unserer Bewegung ist.

Wieso wird die Tierbefreiungsbewegung so stark kriminalisiert? Ein Testfeld für Repression?

Es ist sicherlich ein Testfeld für Repression und es werden viele Sachen getan, da die neuen Gesetze von Konzernen für Konzerne geschrieben werden. Es passiert aber auch, weil die Tierrechtsbewegung mittlerweile sehr effektiv geworden ist wenn es darum geht Versorgungsketten, Labors usw. zu schliessen. In den USA z.B. gibt es das AETA Gesetz, den „Animal Enterprise Terrorism Act“. Die erste Version des Gesetzes wurde 1992 geschrieben und es wurde 1996 überarbeitet und das Wort Terrorismus hinzugefügt. Diese Gesetze werden von der biochemischen Industrie und der Koalition von Ausbeutern geschrieben. Sie werden dadurch in Kraft gesetzt, dass sie einen speziellen Teil des Kongresses dazu befehligen, das Gesetz durchzubringen. Sie haben definiert was das Wort Ökoterrorismus bedeutet. Es kommt von der Rechten, von einem Typen, der Ron Arnold heisst und sich für eine kapitalistische Gesellschaft einsetzt, die Natur schonungslos ausbeutet. Sie haben diesen Diskurs erfunden, institutionalisiert und schliesslich Gesetze mit spezifischen Strafen für Ökoterrorismus verabschiedet. Und der US Kongress hat dem zugestimmt, da alle Insassen von Konzernen bezahlt werden und ihre Karrieren von diesen Geldern abhängen. Dies sind also sehr spezielle Gesetze, die es für eine sehr spezielle Gruppe vorgesehen sind und wenn eine Gruppe wie SHAC im legalen Rahmen erfolgreich ist, dann werden die Gesetze eben verändert und die erfolgreichen AktivistInnen kriminalisiert. Die gute Neuigkeit dabei ist, dass es ein Zeichen unserer Effektivität ist. Einige Leute mögen jetzt sagen, dass es ein Zeichen unserer Ineffektivität ist, wenn der ganze Polizeiapparat hinter uns her ist und wir kriminalisiert und dämonisiert werden. Ich sage nein und es funktioniert, denn dies ist ein verdammter Krieg und wir haben die Konfrontation gesucht. Wir haben gesagt: „Hey, schaut her, wir wollen eure Aufmerksamkeit!“ und nun haben wir sie. Die Frage, die sich jetzt stellt ist nicht, wie wir aus dem raus kommen, sondern wie wir vorwärts kommen, wie wir stärker werden.

Peter Young war kürzlich in Zürich und meinte, dass es nicht so schlimm ist, für eine politische Aktion ins Gefängnis zu müssen. Was haltest du von solchen Aussagen?

Ich kann Peters Aussagen nicht wirklich kommentieren, ausser, dass einige Leute, die im Gefängnis waren gesagt haben, dass es nicht so schlimm ist wie man es sich vorstellt. Vielleicht muss man sich das mit dem Hintergrund der amerikanischen Kultur vorstellen. Wir haben diese Abendsendungen im TV, die „Lock up“ heissen und alles was man sieht sind Gangs und Vergewaltigungen in den Gefängnissen. Darum haben die Menschen wahrscheinlich diese Vorstellung, dass man im Gefängnis innerhalb einer Woche ermordet wird. Im Vergleich zu diesen Sendungen ist es also nicht so schlimm. Ich weiss es nicht, aber vielleicht sind Peters Aussagen nur auf seine Situation bezogen. Was Peter versucht zu machen ist, unsere grössten Ängste zu demystifizieren, damit wir sie los werden. Wenn wir diese Angst überwinden, dann sind wir frei. Das heisst nicht, dass wir dumm handeln sollen, aber dass wir frei sind und aktiv werden können. Die Leute, die Angst haben, sind die, welche ihre Freunde verraten. Wer Angst hat, soll sich anders betätigen und z.B. Kindern den Veganismus näher bringen.

In der Schweiz sitzen zur Zeit 3 Leute in U-Haft mit dem Vorwurf, einen Sprengstoffanschlag auf ein Nanotechnologie-Forschungszentrum von IBM geplant zu haben. Was geht in dir vor, wenn du solche Dinge hörst?

Ich denke, dass dies eine natürliche Ausweitung der ALF und ELF ist. Die ELF attackiert nicht nur Abholzungsfirmen, sondern z.B. auch Biotech-Unternehmen, die GMO Pflanzen herstellen. Bill Joy hat als Nanotechnologie-Forscher eine Kritik an der Nanotechnologie geschrieben. Er hat gesagt, dass Nanotechnologie extrem gefährlich ist, dass wir sehr viel gefährlichere Dinge als Atombomben bauen können werden und er hat auch gesagt, dass wir damit aufhören sollten. Wenn also mindestens ein Mensch innerhalb dieser Industrie die Gefahren erkannt hat, dann sollten wir diese Formen der Unterdrückung angreifen. Das sind gute Strategien, weil es sich um gefährliche Technologien handelt. Wir sollten nicht technophob sein wie z.B. der Unabomber, der Computer angegriffen hat. Computer können natürlich für schlechte Dinge genutzt werden, aber auch für gute. Bei Nano- und Gentechnologie sehe ich überhaupt nichts gutes, das aus der Forschung kommen könnte. Es ist also ein legitimes Ziel.

Die Tierbefreiungsbewegung in der Schweiz ist noch sehr jung, was willst du ihr auf den Weg geben?

Macht eure Hausaufgaben, studiert die Geschichte unserer und anderer sozialer Bewegungen. Macht einen kritischen Vergleich von eurer Arbeit mit derer anderer Gruppen, z.B. den Black Panthers oder Earth First. Es ist wichtig die Unterscheidung zwischen intellektueller und praktischer Arbeit nieder zu brechen. Es gibt in unserer Bewegung Intellektuelle, die keine Praxis ausüben, die keine AktivistInnen sind. Es ist wichtig Geschichte und Theorie zu kennen und gleichzeitig auch aktiv zu sein. Ich will auch anmerken, dass nie jemand weiss was funktionieren wird. Wir haben überall unterschiedliche Hintergründe. Lasst euch nicht von irgendwelchen Dogmas zurückhalten wenn Leute euch sagen, dass dieser oder jener Weg der beste ist. Seid so kreativ wie möglich und findet Wege, die funktionieren. Nicht nur wenn es darum geht was ihr attackiert, sondern auch im Stil der Attacken, der Taktik. Versucht die Medien zu verstehen, dass sie einerseits eure Verbündeten sind, die eure Message verbreiten können, andererseits aber auch eure Feinde, die euch vernichten können. Manchmal ist die Meinung der Öffentlichkeit irrelevant und das wichtigste ist, einen Ausbeuter zu stoppen. Versucht so viele Verbindungen wie möglich mit anderen politischen Bewegungen zu machen, sowohl regional, als auch weltweit. Habt keine Angst vor illegalen Aktionen, nehmt diese Option nicht vom Tisch. Wenn ihr euch entscheidet dies nicht zu tun, dann kritisiert zumindest nicht die Leute, die es tun. Schliesslich will ich noch sagen, dass ihr euch eine Idendität schaffen solltet. Formuliert präzise wer ihr seid und was ihr wollt und was eure Ziele sind. Die Ziele sollten erreichbar sein, also nicht bloss etwas wie „Wir wollen Tiere befreien“. Es könnten Biotech-Unternehmen sein, Züchter oder ein Zirkus. Manchmal ist das beste Ziel nicht das grösste, sondern das verwundbarste.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview ist auch als pdf verfügbar.