Peter Young ist ein Tierrechtsaktivist aus den USA. Er hat in den 90er Jahren mehrere Nerz- und Fuchsbefreiungen durchgeführt und so über 8000 von ihnen befreit. 2005 wurde er vom FBI gefasst und erhielt eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren. Seit 2007 ist er wieder frei und beteiligt sich weiterhin an verschiedenen Tierrechtsprojekten. Im Rahmen einer europaweiten Vortragsreise hat er in Zürich Halt gemacht und wir konnten mit ihm ein Interview führen.
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Tierrechtsgruppe Zürich: Hallo Peter. Erzähl uns doch kurz wer du bist.
Peter Young: Mein Name ist Peter Young. Ich bin ein Tierrechtsaktivist aus den USA und bin seit 15 Jahren in der Bewegung aktiv.
Wie wurdes du ein Tierrechtsaktivist?
Anfangs wurde ich durch die Punk- und Hardcore-Musikszene mit den Ideen der Tierrechtsbewegung konfrontiert. Speziell in der Straight Edge Szene hörte ich Musik von Bands wie Admigation, Green Rage und Crust-Bands wie zum Beispiel Disrupt und Drop Dead. Ich wurde also durch die Texte dieser Bands inspiriert und wurde dadurch in Aktivismus in vielen Formen involviert.
In was für eine Art von Aktivismus warst du involviert? Warst du Teil einer Gruppe? Wie sahen die Aktionen aus?
Zuerst wurde ich vegan und habe dann aber schnell realisiert, dass das einfach nicht genug ist. Ich fühlte mich nicht wohl dabei meinen Konsum bloss so zu ändern, dass ich nicht zum Leiden beitrage und wollte aktiv werden. Ich denke vegan zu sein ist lediglich neutral und dass alle Menschen dazu verpflichtet sind etwas mehr zu tun. Ich schloss mich einer Gruppe an der Universität Washington an, obwohl ich selbst kein Student war. Wir organisierten Demos, verteilten Flugblätter und übten zivilen Ungehorsam aus. An einer meiner ersten Demos, die während einem Schlachthofbetreiber-Kongress stattfand, verkleidete ich mich als Kuh und machte ein Sit-In auf der Bühne, wofür ich dann auch verhaftet wurde. Wir machten also alles von Flyern bis zu zivilem Ungehorsam.
Was heisst Tierbefreiung für dich?
Tierbefreiung heisst, dass man kein Lebewesen bloss als Ressource betrachtet, die ausgebeutet werden kann.
Siehst du eine Verbindung zwischen dem Kampf für die Befreiung der Tiere und anderen sozialen Kämpfen wie z.B. Feminismus, Antimilitarismus oder Antikapitalismus?
Absolut. Ich denke die Unterscheidungen, die manche Menschen feststellen wollen, sind künstlich. Ich denke die Verbindungen sind klar daran ersichtlich, dass wir alle nach Freiheit streben und gegen Ungerechtigkeit kämpfen. Das trifft auf alle fühlenden Lebewesen zu.
Denkst du, dass wir die Tierausbeutung abschaffen können ohne gleichzeitig über das kapitalistische System und die Ausbeutung von Menschen zu sprechen?
Nicht ganz. Ich denke wir können einen sehr grossen Teil der Tierausbeutung los werden ohne das ökonomische System zu verändern, aber niemals alles. Gleichzeitig können wir das Problem aber niemals ganz lösen ohne darüber nachzudenken wie wir Menschen miteinander umgehen und das ganze System von Ausbeutung zu zerschlagen.
Was denkst du von Mainstream Tierschutzorganisationen wie PETA oder HSUS? Siehst du sie als einen nützlichen Teil der Bewegung oder grenzt du dich komplett von ihnen ab?
Ich schaue mir diese Organisationen von Fall zu Fall an. Bei PETA denke ich, dass ihre Philosophie und ihr Ansatz den meinen entspricht. Ich denke, dass Gruppen wie PETA fast immer danach handeln, was ihrem Empfinden nach den Interessen der Tiere entspricht. Bei einer Gruppe wie HSUS glaube ich allerdings überhaupt nicht, dass es so ist. Ich denke, dass viele ihrer Positionen und Kampagnen im direkten Gegesatz zu dem stehen, was ich erreichen will. Sie anerkennen unvegane Produkte weil diese „human“ produziert sind usw. Ich glaube, dass dies uns viele Schritte zurück bringt. Bei PETA hingegen denke ich, dass, obwohl ihr Ansatz oftmals kontrovers ist, sie eine gute Absicht haben. Offen gesagt hat PETA mehr für Tiere getan als ich wohl jemals tun werde.
Wie können wir deiner Meinung nach das Ziel der Befreiung der Tiere erreichen? Was für Taktiken sollten verwendet werden?
Ich denke man sollte dies von Industrie zu Industrie betrachten. Was für die Fleischindustrie funktioniert, funktioniert nicht für die Pelzindustrie und was für grosse Industrien funktioniert, funktioniert nicht für kleine. Je kleiner die Industrie ist, desto mehr glaube ich an direkte Aktion als Taktik, um sie zu besiegen. Und je weniger konsumentenbestimmt eine Industrie ist, desto mehr wird direkte Aktion als Taktik eine Notwendigkeit. Man kann Menschen überzeugen vegan zu leben, was sehr einfach ist, und dies kann für den Moment der beste Ansatz für die Fleischindustrie sein, weil diese, zumindest in den USA, so überwältigend gross ist. Es wäre sehr schwierig eine Kampagne basiert auf direkten Aktionen gegen die Fleischindustrie zu führen, die tatsächlich auch einen spürbaren Schaden hinterlassen würde. Bei kleinen Nischen-Industrien wie Foie Gras hingegen können direkte Aktionen sehr effektiv sein.
Ich glaube es ist wichtig zu realisieren, dass wir niemals jede einzelne Konsumentin erreichen können. Auch wenn wir über Nacht eine überwiegend vegane Gesellschaft hätten, gäbe es immer diese 5 oder 10 % der Menschen, die sich einfach nicht darum kümmern. Darum brauchen wir in unserer Werkzeugkiste eine Taktik, die wir verwenden können, wenn wir den Punkt erreicht haben, an dem die Öffentlichkeit mehrheitlich gegen eine Industrie ist, es aber trotzdem noch eine KonsumentInnenbasis gibt, die sie über Wasser hält. Hier sind direkte Aktionen am besten angebracht.
Du hast über 8000 Nerze von verschiedenen Zuchtstationen befreit. Was war es für ein Gefühl dies zu tun?
Ich habe keinen Zweifel daran, dass es für die Nerze das befreiendste Gefühl war, welches sie je gespürt haben und selbiges trifft auch auf mich zu. Ich habe mich dazu entschieden in einer Art und Weise zu handeln, bei der ich ehrlich mit mir selbst war und die mit meinen Überzeugungen übereingestimmt hat. In diesem Moment gab es keine Kluft zwischen meinen Überzeugungen und meinen Handlungen. Als ich diese Mauer durchbrach und in einer Weise handelte, die übereinstimmend war mit dem was ich bin, und wusste wie viel Macht ich in diesem Moment hatte, kam ich an einen Punkt, von dem ich nie wieder zurück kommen konnte. Ich habe gemerkt wie viel Macht ich als einzelne Person hatte. Wir stecken so viel Vertrauen in das Arbeiten mit anderen. Ich denke zwar, dass dies sehr wichtig ist, aber es muss keine Organisation sein, sondern es können 2 oder 3 deiner besten Freunde sein. Man kann mit 2 oder 3 Menschen mehr erreichen, als jede Organisation je könnte, wenn man bereit ist diese Macht zu akzeptieren und sie in einer Weise einzusetzen, die für die Tiere am nützlichsten ist.
Viele Menschen, die gegen die Freilassung von Nerzen sind, sagen, dass diese Aktionen einen negativen Effekt auf das lokale Ökosystem haben. Weisst du was mit den Nerzen und anderen wilden Tieren in der Region geschieht?
Ich weiss, dass die Situationen in den USA und Europa sehr verschieden sind. Die Nerze, die in den USA gezüchtet werden, stammen auch aus den USA. Darum ist es unmöglich mich zu überzeugen, dass diese Spezies einen negativen Effekt auf das Ökosystem haben könnte. Es könnte einen kurzfristigen Effekt haben, da sehr viele Tiere auf einer sehr kleinen Fläche sind, aber Nerze sind sehr einzelgängerisch und verteilen sich rasch.
In Europa ist die Situation anders, da hier, so viel ich weiss, amerikanische Nerze gezüchtet werden. Ich weiss allerdings nicht, ob das wahr ist. Darum denke ich, dass es eine Debatte ist, die geführt werden sollte. Niemand würde allerdings behaupten, dass die Tiere als Individuen lieber in den Käfigen gelassen werden sollten.
Ich habe bisher allerdings noch nichts gesehen, das mich überzeugt hätte, dass die Langzeiteffekte für alle Tiere negativ sind. Viele Menschen vergessen, dass viele dieser Zuchtstationen den Betrieb einstellen nachdem die Nerze befreit wurden. Hier wird es sehr schwierig abzuschätzen wie vielen Tieren tatsächlich das Leben gerettet wurde.
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Was hat dich dazu bewegt den Weg der illegalen direkten Aktion zu wählen? Hast du dir vorher viele Gedanken dazu gemacht was für Konsequenzen dies für dein persönliches Leben hegen könnte? War es eine schwierige Entscheidung?
Ich habe mit illegalen direkten Aktionen angefangen, als ich merkte, dass legale Aktionen nicht funktionierten. Wir hatten zuvor alles gemacht was uns eingefallen ist: Wir standen mit Schildern ausserhalb von Gebäuden, haben uns an Dingen angekettet und wussten aber gleichzeitig, dass noch immer Tiere in unserer eigenen Nachbarschaft in Schlachthöfen und Labors umgebracht werden. Unsere Taktiken haben nicht mit dem Ernst der Lage übereingestimmt.
Als ich in die Bewegung kam, wusste ich vom ersten Moment an, dass ich ins Gefängnis gesperrt würde. Es war natürlich nichts nachdem ich gestrebt hätte, aber ich wusste von dem Moment an, als ich das erste Mal Bilder aus einem Schlachthof gesehen hatte, dass es Wert ist Opfer zu bringen, um diesen Zustand in Ordnung zu bringen. Ich wusste, dass das was für die Tiere am besten ist, nicht immer mit dem Gesetz übereinstimmt. Als ich diesen Fakt akzeptiert hatte, musste ich natürlich automatisch auch das Gefängnis akzeptieren. Ich finde, dass die Resultate, die ich durch illegale Mittel erreicht habe, viel bedeutender sind, als alle, die ich durch legale Mittel erreicht habe.
Was für eine Rolle spielen Aktionen der Animal Liberation Front in der Bewegung?
Ich glaube sie spielen zwei Rollen. Sie können die schwächsten Glieder einer Industrie besiegen und sie können legale Aktionen unterstützen, indem sie Unmengen von Medienaufmerksamkeit auf ein Thema leiten, welches ansonsten totgeschwiegen würde. Die Animal Liberation Front kann dann wirksam werden und ein Problem lösen oder ein Tier retten, wenn legale Mittel das nicht können.
Die ALF hat einen psychischen Langzeiteinfluss auf TierausbeuterInnen. Zum Beispiel in einem Labor. Ich stelle mir gerne vor wie sich die Forscher jeden Abend, wenn sie die Türen verschliessen, vorstellen: „Was würde die ALF finden wenn sie heute Nacht in mein Labor eindringen würde. Was würde offengelegt?“ Die ALF lässt TierausbeuterInnen nicht zur Ruhe kommen und zwar effektiver als jede Regierungsstelle dies jemals könnte. Die ALF stellt die Zähne der Tierrechtsbewegung dar. Während andere Aktionen bloss angedeutete Gefahren sind, sind ALF-Aktionen tatsächliche Gefahren. Ich nehme noch immer an Protestaktionen teil, welche meiner Meinung nach den grössten Zweck darin erfüllen, dass sich die TierausbeuterInnen denken, dass sie heute Menschen mit Schildern vor der Tür haben, aber gleichzeitig eine Art unsichtbare Armee dahinter sehen. Ich denke, dass TierausbeuterInnen das Gefühl haben, die ALF sei immer direkt um die Ecke.
Hast du irgendwelche Kritik an der Taktik der ALF?
Absolut, ja. In den USA ist es ein sehr umstrittenes Thema. Ich glaube, dass dies viel mit dem 11. September zu tun hat. Die Leute sind generell viel suspekter gegenüber Militanten. Dann gibt es grosse Organisationen wie HSUS, die Taktiken wie direkter Aktion sehr feindlich gesinnt sind. Viele jüngere Leute kennen die Geschichte der ALF nicht. Sie haben nie gesehen, was für eine Macht diese hat. In den 80er Jahren berichteten die Medien in den vereinigten Staaten sehr positiv über die ALF und diese hatte in der Öffentlichkeit ein sehr gutes Ansehen. Es gab einige sehr prominente Razzien in Labors und niemand in der Öffentlichkeit blieb gegenüber den Bildern, die entsanden sind, gleichgültig. Die Menschen sahen die Bilder und fanden sie schrecklich.
Die ALF war also während einer gewissen Zeit dabei den Public Relations Krieg zu gewinnen. Dann wurde Brandstiftung zur Taktik und die öffentliche Unterstützung begann zu schwinden. Ich unterstütze Brandstiftung trotzdem noch als Taktik, aber es hat die ALF ihre Unterstützung durch die Öffentlichkeit gekostet. Die Leute, die jetzt aktiv sind, kennen also bloss noch die Brandstiftung, den Term Ökoterrorismus und was von den Medien verbreitet wird. Sie haben nie die grossen Siege der ALF gesehen.
Im Jahre 2005 wurdest du verhaftet und mit einem Gerichtsverfahren konfrontiert. Erzähl uns wie diese Erfahrung für dich war.
Ich habe in einem Café auf einen Freund gewartet, ohne zu wissen was mit mir passieren würde. Eine Stunde später war ich in einer Zelle, die ich 2 Jahre lang nicht mehr verlassen konnte. Meine Verhaftung war sehr abrupt und ich wurde in Einzelhaft gestellt. Ich wurde also aus meiner alten Welt in eine neue gerissen, ohne eine Chance gehabt zu haben mich darauf vorbereiten zu können.
Das Erlebnis Gefängnis war in vielerlei Hinsicht einfacher als ich es mir vorgestellt habe und in vielerlei Hinsicht auch schwieriger. Die Monotonie, die Langeweile und den Lärm hatte ich nicht erwartet, das war also schwieriger. Was ich auch nicht erwartet hatte, ist, dass die meisten Leute im Gefängnis sehr nett waren und ich hatte nicht mit der Unterstützung gerechnet, die ich erhalten habe. Es war also, wie gesagt, besser und schlechter als ich erwartet hatte.
Ich musste nur etwa 2 Mal tatsächlich vor einen Richter. In meinem Fall gab es kein Verfahren. In den USA gibt es eine Prozedur, die man Verständigung vor dem Strafverfahren (plea bargain) nennt. Dabei will die Regierung kein Gerichtsverfahren einleiten und offeriert den Beschuldigten darum einen Deal, falls sie sich schuldig bekennen. Kurz bevor mein Fall vor Gericht gegangen wäre, habe ich also so einen Deal akzeptiert. Darum war mein einziger richtiger Auftritt in einem Gerichtssaal bei meiner Verurteilung. Das war eine sehr interessante Erfahrung. Der Saal war ungefähr zu einem Drittel gefüllt mit Pelzproduzenten und FBI-Agenten. Sie waren wohl gekommen, um zu hören wie ich mich entschuldige, aber ich wollte ihnen diesen Gefallen nicht tun. Ich habe dem Gericht dargelegt, dass ich meine Taten nicht bereue, was sehr befriedigend war. Statement
Wie sieht es in den USA mit der Repression gegen politischen Aktivismus aus? Was hat sich über die Jahre verändert?
Was sich geändert hat ist, dass jetzt Menschen verfolgt werden, bloss weil sie effektiv sind und nicht, weil sie das Gesetz gebrochen haben. Sie versuchen Aktivitäten, die früher unter den Schutz der freien Meinungsäusserung gefallen sind, zu illegalisieren. Man sieht das zum Beispiel im SHAC Fall, bei dem 6 Beschuldigte hauptsächlich für das Betreiben einer Website zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Es gibt den AETA4 Fall, bei dem 4 Menschen mithilfe des Animal Enterprise Terrorism Act verfolgt werden, obwohl sie bloss an Home Demos bei Forschern teilgenommen haben und mit Kreide auf den Bürgersteig geschrieben haben. Dies wird nun als Terrorismus ausgelegt. Solche Fälle sind sehr neu und es gab sie bisher in den USA nicht. Der erhoffte Effekt ist, dass alle anderen Angst haben und ihren Aktivismus stoppen. In einer gewissen Weise mag das auch erfolgreich gewesen sein, aber ich hoffe, dass die meisten Menschen wissen, dass sie nicht alle von uns verhaften können. Sie verhaften einige von uns, um allen anderen Angst einzujagen.
Ansonsten passiert eigentlich noch dasselbe wie früher. Es werden Wohnungen durchsucht, Gruppen infiltriert und das FBI klopft an Türen. Das sind sehr übliche Dinge. Sie verwenden also einige neue und alte Taktiken.
Wie konntest du persönlich mit derart starker Repression umgehen?
Auf einer persönlichen Ebene gehe ich mit der Repression um, indem ich sie ignoriere. Damit meine ich, dass ich realisiert habe, dass die Absicht dieser Repression ist, uns Angst einzuflössen. Ich weiss, dass ich an diesem Punkt in meinem Leben komplett im Rahmen des Gesetzes arbeite. Darum hoffe ich, dass ich nicht zurück ins Gefängnis muss, obwohl sie natürlich, wie gesagt, alles illegalisieren können.
Hat die Zeit im Gefängnis einen Einfluss auf dich persönlich und deinen Aktivismus gehabt? Wie sieht der aus?
Die Zeit im Gefängnis hat mich positiv beeinflusst, indem mir klar wurde, dass diese Drohung von Gefängnis, die sie über deinen Kopf halten, nicht so schlimm ist, wie mir zuvor gesagt wurde. Ich habe die Gefängnis-Erfahrung demystifiziert. Es ist also nichts mehr wovor ich Angst hätte. Sie haben so eine Menge Macht über mich verloren, da ich jetzt weiss wie Haft ist und ich keine Angst davor mehr habe. Alles was sie gegen uns verwenden können sind Gefängnisstrafen, also denke ich, dass ich dadurch viel mächtiger geworden bin. Obwohl ich nicht mehr in Untergrund-Aktionen involviert bin, bin ich dadurch, dass ich keine Angst mehr vor dem Gefängnis habe, viel mächtiger geworden.
Wie sollten wir als Bewegung mit Repression umgehen?
Ich denke wir sollten realisieren, dass Gefängnis immer ein Teil jedes sozialen Kampfes gewesen ist. So war es schon immer und so wird es auch immer sein. Das sollten wir akzeptieren und wenn AktivistInnen es Ernst meinen mit der Tierbefreiung, dann sollten sie akzeptieren, dass das Gefängnis vielleicht in ihrer Zukunft liegen könnte. Repression geht zu 1% darum Leute ins Gefängnis zu schicken und zu 99% darum allen anderen Angst einzuflössen, so dass sie inaktiv werden. Wenn man sich also nicht von der Angst in die Inaktivität treiben lässt, dann ist Repression faktisch wertlos, ausser man ist einer der sehr, sehr wenigen, die ins Gefängnis gesteckt werden. Die Chancen, dass man davon betroffen ist, sind aber sehr klein. In den USA gab es trotz tausenden von AktivistInnen und tausenden von ALF-Aktionen nur etwa 30 Personen, die je verhaftet wurden. Und von diesen 30 Personen sind auch nur wenige in ein tatsächliches Gefängnis gekommen. Wir müssen also realisieren, dass das Ziel der Repression die Angst ist und nicht uns einzusperren.
Wie du sicher weisst, sind in Österreich momentan 13 AktivistInnen vor Gericht. Hast du irgendwelche Gedanken zu der Situation dort?
Es erinnert mich total an die Situation in den USA, da sie nicht mehr Personen verfolgen, die sich illegalen Aktionen schuldig gemacht haben, sondern jene, die effektiv sind. Die Österreicher haben dies vielleicht dem FBI abgeschaut. Ich bin mit dem Fall nicht so vertraut wie mit jenen in den USA, aber er klingt sehr, sehr ähnlich.
Solidarität mit Gefangenen ist sehr wichtig. Was sind deine Gedanken darüber?
Man kann nicht sagen, dass man die ALF unterstützt, ohne dann jemanden zu unterstützen, der gefasst wird. Das wäre wie wenn man jemanden einen reissenden Fluss hinunterschicken würde, ohne ihm ein Rettungsboot zu geben. Gefangenenunterstützung ist irgenwie wie die Ambulanz der Tierrechtsbewegung. Wenn irgendetwas schief geht, müssen wir da sein, um den betroffenen Menschen zu helfen und ich glaube, dass die Botschaft, die so gesendet wird sehr stark ist.
Für Menschen, die sich überlegen eine ALF-Aktion durchzuführen, wird die Entscheidung den Tieren auf diese Weise zu helfen viel leichter wenn sie sehen, dass die Gefassten nicht allein gelassen werden. Wenn sie sehen, dass Gefangene nicht unterstützt werden, kann das ein entscheidender Faktor sein, dass jemand eine Aktion nicht durchführt. Klar, schlussendlich wird es immer um die Tiere gehen, aber es kann für viele ein entscheidender Faktor sein, welche Taktiken sie schliesslich anwenden.
Ich denke auch, dass Gefangenenunterstützung eine gute Form von Aufklärung sein kann. Es kann ein guter Weg sein, um Menschen in die Tierbefreiungsbewegung einzuführen. Es bringt das Thema aus dem abstrakten Raum, so dass viele es verstehen können.
Und zum Schluss noch etwas: Die Menschen, die mich unterstützt haben, die mir Briefe geschrieben haben, waren nicht unbedingt jene, die an der Front gekämpft haben. Ich habe viele Briefe von Frauen mittleren Alters erhalten, es waren also nicht unbedingt Menschen, die Vollzeit-AktivistInnen waren. Gefangenenunterstützung muss also nicht unbedingt Energie vom Aktivismus weg leiten.
Wie steht es um die Tierrechtsbewegung in den USA?
Bezüglich direkten Aktionen ist der Trend in letzten Jahren, dass es weniger davon gibt, die aber grösser sind. Im letzten Monat gab es glaube ich 2 Aktionen, es wurden zwei Lederläden niedergebrannt. Vor einem Jahr wurden die Büros einer Firma, die Primaten importiert niedergebrannt. Die Leute merken, dass wenn sie ein Risiko eingehen, dann sollte es für Aktionen sein, die einen grossen Effekt haben.
Über die gesamte Bewegung zu sprechen ist schwierig, da sie aus so vielen Elementen besteht. Es gab in letzter Zeit eine grössere Fokussierung auf vegane Aufklärung, was ich sehr befürworte. Früher haben wir vor McDonald’s demonstriert und ich denke, dass wir nun realisiert haben, dass dies nicht sehr effektiv war und nur wenige Menschen erreicht hat und es besser ist über Veganismus zu flyern. Im Moment gibt es aber keinen Fokus. Früher hatten wir die Pelzindustrie und Tierversuche als Fokus und ich hoffe, dass wir dieses Element zurückbringen können. Ich denke Fokus ist absolut essentiell, um einen Fortschritt zu erreichen.
Die Tierrechtsbewegung in der Schweiz ist noch sehr jung und sich im Aufbau befindend. Hast du irgendwelche Erfahrungen, die du uns mitgeben möchtest?
Absolut. Was ich bei der vorhergehenden Frage gesagt habe ist sehr wichtig. Die Ziele sollten sehr fokussiert sein. Ihr solltet sehr ausdauernd sein, das heisst wenn ihr etwas beginnt, solltet ihr nicht damit aufhören bis ihr es beendet habt. Ihr solltet euch auf etwas konzentrieren, das erreichbar ist, also wissen was ihr erreichen könnt. Das heisst nicht, dass ihr euch limitieren sollt, aber wenn wir von der traditionellen Weise zu demonstrieren sprechen, dann sollte es für etwas sein, das erreichbar ist. Was ich gesehen habe ist, dass es in der Bewegung eine hohe Fluktuation gibt. Die Leute sind ein oder zwei Jahre dabei und sehen dann, dass es keine Erfolge gegeben hat und verlassen darum die Bewegung wieder. Darum ist es sehr wichtig, dass man den Leuten auf ihrem Weg Erfolge geben kann. Ihr solltet also den Kampf in Stücke brechen, die gewonnen werden können, was dazu führen wird, dass die Leute länger dabei sind.
Vielen Dank für das Interview!